Das Leben als Schauspiel

Mein Besuch bei der Jugendtheatergruppe der Honigfabrik

Von Maren Tobel, der Zustän­di­gen für „Kin­der­Kul­tur“, und der Thea­ter­päd­ago­gin San­dra Kie­fer wer­de ich in der Bar der Honig­fa­brik abgeholt.

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Wir gehen hoch in den Pro­be­raum, wo heu­te lei­der nur drei der acht Mit­glie­der der Thea­ter­grup­pe anwe­send sind. Der Rest, so erzäh­len sie, ist im Prü­fungs­stress. Des­halb muss­te auch die Auf­füh­rung des Thea­ter­stü­ckes von Okto­ber auf Janu­ar nächs­ten Jah­res ver­scho­ben wer­den. Den Pro­be­raum zie­ren zwei gro­ße rund­lich gebo­ge­ne Fens­ter und eine Bühne. Außer­halb der Schei­ben kann ich die Zwei­ge einer Trau­er­wei­de erken­nen. Das Zim­mer wirkt, obwohl es so ein­fach ein­ge­rich­tet ist, sehr idyl­lisch. Wir set­zen uns hin und Glo­ria, eines der Mäd­chen, beginnt vom Bühnenspiel zu erzäh­len: „Wir haben noch kein kon­kre­tes Stück, aber wir haben uns ent­schie­den, dass wir das The­ma Vor­ur­tei­le bear­bei­ten wer­den. Es geht dar­um, wie wir die­se The­ma­tik im All­tag erle­ben, ob man Vor­ur­tei­le bekämp­fen kann und was alles zu Vor­ur­tei­len gehört. Das ist sozu­sa­gen unser ers­tes Haupt­the­ma. Die Rah­men­hand­lung, die wir uns jetzt so unge­fähr vor­stel­len könn­ten, ist, dass wir einen neu­en Pla­ne­ten ent­de­cken und gucken, wie wir mit die­sem Pla­ne­ten das The­ma Vor­ur­tei­le ver­bin­den kön­nen.“ Ein sehr span­nen­des The­ma und alles impro­vi­siert. Glo­ria berich­tet, dass die Grup­pe immer nur zwei bis drei Anga­ben und viel­leicht drei Stühle auf der Büh­ne bekommt.

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Der Rest kommt von selbst. Aus Impul­sen und Stim­mun­gen her­aus ent­steht eine Sze­ne und dar­aus ent­wi­ckelt sich ein Stück. Ich fra­ge, ob es eine Rol­len­ver­tei­lung gibt, oder ob jeder je nach Belie­ben mal der oder der ande­re sein darf. Lena schil­dert: „Bei unse­rem letz­ten Stück war es so, dass jeder mal in jede Rol­le geschlüpft ist.“ „Und wie ist es bei die­sem Stück?“, möch­te ich wis­sen. San­dra Kie­fer erklärt: „Wir haben immer ein Rol­len­pro­fil erar­bei­tet und haben uns die­ses Mal vor­ge­nom­men, die Rol­len­cha­rak­te­re ein wenig auf­zu­bre­chen und sie ehr­li­cher zu machen; also näher an uns selbst dran. Das war eine Bit­te der Jugend­li­chen: Kön­nen wir nicht etwas machen, was uns beschäf­tigt, was uns auch betrifft? Und dann ist es schwie­rig, mit einer Figur zu arbei­ten. “ San­dra berich­tet mir, dass es die Thea­ter­grup­pe seit 2006 gibt und dass alles mit einem Mär­chen­er­zäh­ler, der durch die Schu­len Wil­helms­burgs streif­te, anfing. Er for­der­te die Kin­der auf, ihre eige­nen Geschich­ten zu schrei­ben. Mein Besuch bei der Jugend­thea­ter­grup­pe der Honigfabrik.

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Acht von acht­zig die­ser Geschich­ten wur­den aus­ge­wählt und zu einem gro­ßen Thea­ter­stück zusam­men­ge­schrie­ben und mit Tanz, Musik und Gesang auf­ge­führt. Von den damals 60 Kin­dern hat sich die­se Thea­ter­grup­pe von sie­ben Mäd­chen und einem Jun­gen her­aus­kris­tal­li­siert. Ger­ne hät­ten sie noch mehr männ­li­che Besetzung.

Auf die Fra­ge, wie regel­mä­ßig geprobt wird, erwi­dert San­dra Kie­fer: „Regu­lär pro­ben wir don­ners­tags, aber in den Feri­en ganz oft, manch­mal sogar täg­lich. Wir pro­ben auch häu­fig an Wochen­en­den, ein­fach weil man da sehr viel mehr Zeit mit­ein­an­der ver­brin­gen kann. Das ist immer schön. Ent­we­der wir früh­stü­cken gemein­sam und legen dann los oder wir tref­fen uns mit­tags und dann gibt es Mit­tag­essen oder wir essen abends eine Klei­nig­keit wie Kuchen zusam­men. Es ist eigent­lich recht gemütlich. Meis­tens kocht jemand für uns und es ist rich­tig wie im Thea­ter­la­ger. “Alle lachen. Die Küche und die Räum­lich­kei­ten der Honig­fa­brik dür­fen von den eif­ri­gen Thea­ter­spie­lern mit benutzt wer­den. Finan­ziert wird die Grup­pe zum Teil von der Bür­ger­stif­tung Ham­burg, die beson­ders jun­gen Men­schen Chan­cen eröff­nen möch­te. Natür­lich braucht es aber immer zusätz­li­che Gel­der für Kos­tü­me und ande­re Requi­si­ten, dafür haben die Jugend­li­chen auch schon Waf­feln ver­kauft. Wenn kein Geld da ist, fin­det das Tref­fen trotz­dem statt, denn auch mit wenig weiß die Jugend­thea­ter­grup­pe viel anzufangen.

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Am Ende des Gesprächs beto­nen die Jugend­li­chen noch ein­mal, wie viel Spaß ihnen das Thea­ter­spie­len bringt, dass sie das Gefühl haben, sich­ent­fal­ten zu kön­nen und der Pro­be­raum sich wie ein zwei­tes Wohn­zim­mer für sie anfühlt. Sie wür­den sich sehr über mehr thea­ter­be­geis­ter­te Mit­strei­ter freu­en, die sich ger­ne inte­grie­ren und Gemein­sa­mes schaf­fen möch­ten. Beson­ders an Jungs besteht gro­ßes Inter­es­se, äußern die Mäd­chen kichernd. Kur­ze Zeit spä­ter beginnt die Grup­pe mit ihrer Pro­be. Die Schau­spie­ler sind auf ihrer neu­en Erde in einem unbe­kann­ten Raum. Dort sol­len sie sich frei füh­len, ihre Mei­nung ver­tre­ten und sich „aus­kot­zen“ über alles Mög­li­che. Es ent­ste­hen uner­war­te­te Dia­lo­ge, über­ra­schen­de Bewe­gun­gen und tie­fer gehen­de Span­nun­gen. Auch die Kon­flik­te, mit denen eines der Mäd­chen zu kämp­fen hat, wer­den ersicht­lich. Impro­vi­sa­ti­ons­thea­ter erfor­dert eine hohe Aus­ein­an­der­set­zung mit dem eige­nen Selbst und nicht sel­ten stößt auch der erfah­re­ne Schau­spie­ler hier an sei­ne eige­nen Gren­zen, wird mir erläu­tert. Ich sehe ihnen eine Wei­le zu. Die Wor­te der Thea­ter­päd­ago­gin San­dra Kie­fer klin­gen beru­hi­gend und auf­for­dernd. Das Schau­spiel for­dert gedank­lich auf, sich selbst dar­in bewe­gen zu wol­len. Inspi­riert von den vie­len neu­en Ein­drü­cken, ver­las­se ich die Pro­be und freue mich schon auf die Aufführung, um zu sehen, was dar­aus gewor­den ist.

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