Deutsch für Anfänger

Niemand feiert mehr Weihnachten in Syrien!

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„Unser Redak­teur Micha­el Ulrich berich­tet aus sei­nem ehren­amt­li­chen Deutsch­kurs in der vom Roten Kreuz betrie­be­nen Flücht­lings­un­ter­kunft in der ehe­ma­li­gen Schu­le am Karl-Arnold-Ring in Kirchdorf-Süd.“

Abed und Marr­yam (Namen geän­dert), die bei­den Ara­mä­er (syrisch-ortho­do­xe Chris­ten), strah­len mich zum ers­ten Mal rich­tig an: „…..wird Ihnen der Sta­tus eines Asyl­be­rech­tig­ten zuer­kannt…“ heißt es in den Beschei­den, die ihnen gera­de aus­ge­hän­digt wor­den waren, in ech­tem Amtsdeutsch.

Sie haben es geschafft! Her­aus aus dem mör­de­ri­schen Alep­po, bei Nacht über die tür­ki­sche Gren­ze, am Ende der Odys­see in die Erst­auf­nah­me-Ein­rich­tung am Karl-Arnold-Ring. Hier in der vom Roten Kreuz betrie­be­nen Unter­kunft in der ehe­ma­li­gen Schu­le herrscht eine aus­ge­spro­chen fried­li­che Stim­mung. Die Jun­gen spie­len Fuß­ball auf dem Schul­hof, die Frau­en und Mäd­chen hand­ar­bei­ten in der Aula. Im Som­mer war ein gespen­de­tes Bade­bas­sin auf­ge­stellt. Sight­see­ing­tou­ren durch die Metro­po­le wer­den unternommen.

In mei­nem Deutsch­kurs zeigt sich, dass der syri­sche Pro­fes­sor und sei­ne Frau eine gro­ße Chan­ce haben, sich nicht nur gut in den deut­schen Arbeits­markt zu inte­grie­ren, son­dern eine Berei­che­rung unse­rer Gesell­schaft zu wer­den. Ande­re Schü­ler mit mehr Erklä­rungs­be­darf wer­den unter­stützt. Abed wischt unauf­ge­for­dert die Tafel ab und über­setzt mit sei­nen vor­züg­li­chen Eng­lisch­kennt­nis­sen ins Arabische.

Diver­se ein­hei­mi­sche Ara­mä­er (4000 in Ham­burg) ver­tei­di­gen immer noch Baschar al Assad, wie man auf Face­book nach­le­sen kann. Die neu­en Flücht­lin­ge die­ser Glau­bens­ge­mein­schaft – soeben den Fass­bom­ben des Dik­ta­tors ent­kom­men –   wer­den sie, laut Abed, das Gru­seln leh­ren. Immer, wenn sie per Han­dy nicht zu ihren Eltern durch­kom­men, müs­sen sie befürch­ten, dass die­se im Bom­ben­ha­gel der einst so präch­ti­gen his­to­ri­schen Stadt umge­kom­men sind.

„Das Schöns­te für uns ist zur Zeit, dass wir die­ses Jahr zum ers­ten Mal seit meh­re­ren Jah­ren wie­der Weih­nach­ten fei­ern kön­nen. In Syri­en fei­ert nie­mand mehr Weihnachten !“

Hus­si­en und Nar­ra fei­ern als Jesi­den aus dem Sind­schar-Gebir­ge im Nord-Irak das Neue Jahr nach jesi­di­schem Kalen­der in der Osterzeit.

Dabei beten Sie den blau­en Pfau nicht an, was ihnen von den IS-Ter­ro­ris­ten aber vor­ge­wor­fen wur­de. Er ist ledig­lich ein Sym­bol im Rah­men ihrer hei­li­gen Riten. Sei­net­we­gen muss­ten so unglaub­lich vie­le Glau­bens­brü­der, die nicht kon­ver­tie­ren woll­ten, ster­ben; und die Frau­en und Mäd­chen wur­den zu Tau­sen­den ver­schleppt. Mir bleibt das Essen im Hals ste­cken bei ihren Schilderungen.

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Der blau Pfau stellt im Jesi­den­tum, der Ursprungs­re­li­gi­on der Kur­den, den hei­li­gen „Engel Pfau“ dar, wel­cher Tau­si Melek genannt wird und der von Gott zum obers­ten Engel und zum Beschüt­zer und Ver­wal­ter der Erde ernannt wurde.

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Auch die bei­den haben inzwi­schen ihre Aner­ken­nung als Asyl­be­rech­tig­te bekom­men und freu­en sich auf ihr neu­es Leben in Hamburg.

Ksa­net und Gdey aus Eri­trea sind eben­falls Chris­tin­nen. Die bei­den jun­gen Frau­en sind der grau­sa­men Will­kür ihrer Tyran­nen, die Men­schen jeg­li­chen Glau­bens ermor­den las­sen, wie es Ihnen gera­de passt, allein entkommen.

Was sie auf der Flucht durch die Wüs­te, durch Liby­en und über das Mit­tel­meer alles erlebt haben, und wie sie das über­haupt alles über­le­ben konn­ten, wage ich sie gar nicht zu fragen.

Gdey muss­te ihren Ehe­mann zurück­las­sen, um den sie sich natür­lich gro­ße Sor­gen macht. Das wird ihre Freu­de am Weih­nachts­fest, auf das sie sich hier in Deutsch­land, im tiefs­ten Frie­den, eigent­lich sehr freut, deut­lich trüben.

Zu Weih­nach­ten gibt es in Eri­trea Weih­nachts­bäu­me aus Plas­tik, ech­te sind dort unbe­kannt und Pal­men eig­nen sich nicht. Das macht den Men­schen nichts aus. Für die jun­gen Frau­en war immer schön, dass es zu die­sem Fest neue Klei­der gab. Zur Kir­che ging man in weiss mit einem blau­en Schal.

Sul­tan Bila­ev (Name geän­dert) ist tsche­tsche­ni­scher Mos­lem, der nach Atta­cken auf sei­ne Fami­lie vor der Putin-höri­gen Regio­nal­re­gie­rung mit Frau und drei Söh­nen geflo­hen ist. Er wur­de im Gefäng­nis gefol­tert. Sein Haus wur­de zer­stört. Mit Hil­fe sei­nes Bru­ders, der bei der Poli­zei war, konn­te er flie­hen. Der ers­te Satz, den mir die­ser im übri­gen gut­mü­ti­ge Mann mit fins­te­rer Mie­ne auf deutsch prä­sen­tiert, lautet:

„Putin – nicht gut !“ Harm­los for­mu­liert ist die­ser kur­ze Satz, noch geprägt von der Angst, wegen einer schär­fe­ren Kri­tik in der „Lub­jan­ka“ (Geheim­dienst­ge­fäng­nis) einer rus­si­schen Pro­vinz­stadt zu ver­schwin­den. Gera­de des­halb bekom­me ich in die­sem Moment eine Gänsehaut.

Sul­tan fei­ert mit sei­ner Fami­lie die Fes­te des Islam; den Rama­dan haben sie bereits in der Flücht­lings­un­ter­kunft began­gen. Die Unter­kunfts­lei­tung des DRK hat sen­si­bel Rück­sicht dar­auf genom­men, dass die erwach­se­nen Mus­li­me erst nach Son­nen­un­ter­gang essen und trin­ken durften.

Mei­ne Schü­ler sind fast alle hoch moti­viert. Neue ange­kom­me­ne Schü­ler wer­den unter­stützt. Wer etwas eng­lisch kann, hilft mit, Voka­beln oder kur­ze Sät­ze in far­si, soma­li, pasch­tun, kur­disch, afgha­nisch oder ara­bisch zu über­set­zen. Man­che Män­ner, die schon seit sechs Mona­ten mit neun ande­ren Män­nern in einem Zim­mer woh­nen müs­sen, stöh­nen aller­dings inzwi­schen. Trotz evi­den­ter unmensch­li­cher Ver­fol­gung durch ver­bre­che­ri­sche Regime, dau­ert es so lan­ge, bis ihnen jemand das ein­gangs zitier­te Schrei­ben aushändigt.

Abed und Marr­yam wer­den Weih­nach­ten auf jeden Fall ihre Eltern in Alep­po anru­fen. „Hof­fent­lich leben sie dann noch?!“

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