Das Leben an der Ecke
Sind wir nicht alle schon einmal daran vorbei gelaufen? Da vorne an der Ecke- Kreuzung Georg-Wilhelm-Straße und Fährstraße? Haben wir uns nicht alle schon einmal gefragt, wie es so ist, dort sein Bier zu trinken?
Am Freitag vor ein paar Wochen war ich da. Das erste Mal. Auf dem Nachhauseweg vom Feiern habe ich noch Freunde getroffen und beschlossen, dass 6 Uhr morgens wohl noch nicht zu spät für einen Absacker im Milan sei. So heißt die Kneipe, die 24h- sieben Tage in der Woche auf hat.
Im dämmrigen Morgenlicht betreten wir die Bar. Die letzten umgekippten Alkoholiker erwartend schaue ich mich verdutzt im Raum um. Er ist überraschend leer. Die Musik läuft nur leise. Vielleicht weil es schon so früh ist? Vielleicht auch nicht. Ein süßer Geruch von Rauch steigt mir in die Nase und ich beschließe sofort, hier fühle ich mich wohl! Den Raum zieren alte Tische und Bänke, ein Billardtisch, diverse Spielautomaten, zwei Dartautomaten und mein Lieblingsstück: eine Jukebox.
Einladend warmes Licht. Alle werfen noch ihre letzten Münzen zusammen auf die Theke. Es reicht für vier Bier. Ein Euro sechzig das Stück—fast so wie am Kiosk. Wir lassen uns an einem der Tische nieder, sehen uns um, betrachten das langsam einbrechende Tageslicht. Suchen unsere nun allerletzten Münzen zusammen und versuchen uns so lange es geht mit alten Songs aus längst vergangenen Jahrzehnten zu unterhalten. Und da kommt es mir. Es ist die Nostalgie, die hieraus spricht. Alles ist einfach, unmodern und grimassenhaft. Nicht schön. Und dennoch möchte ich es genau in diesem Moment nicht anders haben. Die Nostalgie, so schön wie noch nie. Müde geworden betreten wir schließlich das grelle Morgenlicht— Der Besuch endet.
Zu einem anderen Zeitpunkt kehre ich aber in die Bar zurück. Es ist Anfang der Woche und Vormittag. Ich bestelle eine Apfelschorle und unterhalte mich mit der Kellnerin, die mir erzählt, dass alle Bedienungen ehrenamtlich und immer nur für ein paar Stunden hier sind.
Ein etwas älterer Mann, der aussieht, als verbringe er hier seine Vormittage setzt sich zu mir. Er erzählt mir von der Kultur in diesem Laden. Davon, dass hier ein jeder sein kann. Es kommen alte Menschen, es kommen junge Menschen. Es kommen Menschen jeder Nationalität und Bildungsschicht. Er sagt, dies sei keine Bar, wo es Streit gibt oder Aggressivität.
Ich trinke aus, verlasse die Kneipe. Der Tag hat mich wieder. Die Sonne scheint. Ich betrachte die Bar von außen. Hier komme ich glaub ich öfter her.