Die Reise eines wohltätigen Flohmarktes

Irrungen und Wirrungen der Behörden und ein Saxophon

„Floh­Zinn“ ist der schon fast eta­blier­te Name des Floh­mark­tes der Wil­helms­bur­ger Tafel, der am ver­gan­ge­nen Sonn­tag das zwei­te Mal auf dem Gelän­de der Zinn­wer­ke statt­fand. Der Him­mel strahl­te wol­ken­los in tie­fem Blau über dem Vering­ka­nal und lock­te zahl­rei­che Besu­cher. Sie tum­mel­ten sich zwi­schen Ver­kaufs­stän­den, feilsch­ten bei der Schnäpp­chen­jagt oder hiel­ten ein Schwätz­chen bei Kaf­fee und Kuchen. Irgend­wo inmit­ten des Tru­bels ver­steck­te sich ein Saxo­phon. Der Wind trug sei­ne wei­chen Klän­ge über den Platz in Rich­tung Elbe – so, als sei es nie­mals anders gewesen.

Aber die har­mo­ni­sche Atmo­sphä­re ver­barg, dass vor unse­ren Augen eine lan­ge Tra­di­ti­on neu geschrie­ben wird…

Acht Geh­mi­nu­ten ent­fernt fin­den wir den sonn­täg­lich ver­wais­ten Stübenplatz.
Zen­tral und mit­ten im Leben, umge­ben von zahl­rei­chen Wohn­häu­sern und flo­rie­ren­der Infra­struk­tur, fand der Floh­markt hier seit zehn Jah­ren immer am ers­ten Sonn­tag im Monat statt; von April bis Novem­ber. In die­ser Deka­de ist er über sich hin­aus gewach­sen, von einem ein­fa­chen Markt zu einem Event – einem monat­li­chen Treff­punkt, wo sich Men­schen allen Alters begeg­nen und austauschen.
Jeder ver­kauf­te Kuchen, jeder Erwerb einer klei­nen Kost­bar­keit an einem der Ver­kaufs­stän­de half unse­rem Stadt­teil: Denn die Stand­ge­bühr füll­te die Kas­sen der Wil­helms­bur­ger Tafel.
Pro Meter Drei Euro! Mit wach­sen­dem Erfolg des Mark­tes wur­den es übers Jahr vie­le Meter und noch mehr Euro. Die Stand­ge­büh­ren spül­ten der Initia­ti­ve pro Jahr zwi­schen 4.000 Euro und 4.500 Euro in die Kas­sen und wur­den zur wich­tigs­ten Ein­nah­me­quel­le des Vereins.

Solan­ge bis das Ver­brau­cher­schutz­amt im Sep­tem­ber 2013 Beden­ken anmel­de­te. Der Floh­markt ver­sto­ße gegen die „Fei­er­schutz­ver­ord­nung“. Es hieß: „Er sei geeig­net, die Sonn­tags­ru­he zu stö­ren, weil sich dort Men­schen ver­sam­meln und sich mit ihren Käu­fen und Ver­käu­fen öffent­lich bemerk­bar machen.“
Das Amt stieß mit sei­ner engen Aus­le­gung der Bestim­mun­gen – zu Recht – auf brei­tes Unver­ständ­nis bei der Bevöl­ke­rung, aber auch bei der loka­len Poli­tik. Ein gene­rel­les Ver­bot des Mark­tes hät­te den Ruin der Wil­helms­bur­ger Tafel bedeu­ten können.
Und des­halb zogen die­ses Mal wirk­lich alle an einem Strang! Enga­gier­te Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, die die Ange­le­gen­heit bis vor den Senat tru­gen, Bür­ger und der Ver­an­stal­ter selbst. Ohne das Gesetz zu beu­gen lag die ein­zi­ge Lösung auf der Hand: Der Markt muss­te umge­sie­delt wer­den. So fand er auf dem Gelän­de der Wil­helms­bur­ger Zinn­wer­ke ein wür­di­ges neu­es Zuhause.

Hin­ter hohen Git­ter­stä­ben, die den Hof abgren­zen, trifft Indus­trie­ro­man­tik in rotem Back­stein auf ein kun­ter­bun­tes Straßenfest.
Ist es Iro­nie oder viel­leicht des Schick­sals Fügung, dass den Zinn­wer­ken ihrer­seits ver­gan­ge­nes Jahr die Schlie­ßung drohte…
Mit fri­schem Anstrich geht der Floh­markt in sei­ne zwei­te Run­de. Etwas abseits gele­gen muss man ihn erst suchen, aber sein Geist passt den­noch her­vor­ra­gend in das auf­stre­ben­de Künst­ler­vier­tel am Veringkanal.

Die neue Lage bringt auch Vor­tei­le. Der Spre­cher des Krea­tiv­zen­trums „Zinn­wer­ke“, Mar­co Anto­nio Reyes Lore­do, möch­te den Floh­markt auch in der kal­ten Jah­res­zeit ermög­li­chen. Die Idee ist, das Event in die Hal­len der Zinn­wer­ke zu ver­la­gern.  „Unser Wunsch wäre es, dass man den Floh­markt Wet­ter-und Jah­res­zei­ten unab­hän­gig ver­an­stal­ten kann. Und nach solch posi­ti­ven Tagen wie heu­te und die­ser wert­vol­len Koope­ra­ti­on der Zinn­wer­ke und Tafel, kann doch kei­ner was dage­gen haben, oder?“, enga­giert sich Reyes Lore­do. Natür­lich wür­de dies auch die lang­fris­ti­ge Posi­ti­on des Krea­tiv­zen­trums stär­ken, und den Stand­ort „Zinn­wer­ke“ nach­hal­tig manifestieren.

Die Ter­mi­ne für 2014 sind bereits gemacht. Auch die Pla­nung schrei­tet vor­an: Beim nächs­ten Mal wird die Band Rebel Lovers auf­tre­ten. Der Band­lea­der, Ingo Bräu­ning, kommt aus Wil­helms­burg und hat hier auch sein Stu­dio. Gera­de musi­ziert er noch auf Frank­reichs Stra­ßen, aber am 3. August wird er mit sei­ner neu­en Freun­din aus San Fran­zis­co im Hof der Zinn­wer­ke spielen.

„Das coo­le an die­sem Floh­markt ist, dass er nächs­tes Mal noch GEILER wird“, weiß Wolf­gang Stro­bel, ein bekann­tes Wil­helms­bur­ger Urge­stein. Auch er ist wie­der mit der Plat­ten­ver­kos­tung dabei.

Das Saxo­phon in der Men­ge gehört Chris­toph Rom­mel.  Gol­den glänzt es im Son­nen­schein. Rom­mel ver­zau­bert mit sei­ner Bill­brook Blues Band heu­te den Floh­markt, doch regel­mä­ßig auch Ham­burg und das Umland. Er wohnt nur einen Häu­ser­block entfernt.
Wer sei­ner Musik lauscht beginnt zu träu­men. Viel­leicht vom neu­en Floh­Zinn der nach Irrun­gen und Wir­run­gen nun viel leben­di­ger ist denn je!