Gestank im Reiherstiegviertel

  – und kein Ende in Sicht ?

Der Arti­kel „Das stinkt zum Him­mel!“ in der Aus­ga­be 4/15 des WIP Maga­zins, erschie­nen Mit­te Novem­ber 2015, ver­an­lass­te den Wil­helms­bur­ger Bür­ger­schafts­ab­ge­ord­ne­ten Micha­el Wein­reich (SPD) zu einer Anfra­ge über die Geruchs­be­läs­ti­gung durch die Nord­deut­schen Ölwer­ke (NOW) an den Senat. Die Fra­gen und Ant­wor­ten, die eini­ge über­ra­schen­de Ein­bli­cke ermög­li­chen, dru­cken wir nach­fol­gend ab.

Sach­stand zu den Geruchs­emis­sio­nen

In 2012 wur­de eine Anord­nung nach § 17 BIm­SchG durch das Amt für Immis­si­ons­schutz und Betrie­be erlas­sen, die drei tech­ni­sche Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Geruchs­si­tua­ti­on umfasst. Dabei dien­te ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten als Grundlage.
Kon­kret sind dies:

  • die Sanie­rung des Tank­fel­des A (geneh­migt nach § 16 BIm­SchG, Az. 177/13, wird zur Zeit umgesetzt),
  • die Moder­ni­sie­rung der ther­mi­schen Fett­spal­tung (gemäß Stand der Tech­nik, ins­be­son­de­re Maß­nah­men wie in Nr. 5.2.6 TA Luft beschrie­ben) und
  • die Opti­mie­rung der Abwas­ser­an­la­ge (war­me Abwäs­ser abküh­len, offe­ne Beton­gru­ben rei­ni­gen und durch geschlos­se­ne Tech­no­lo­gie ersetzen).

NOW 2Nach Umset­zung aller Maß­nah­men der Anord­nung, die ins­be­son­de­re dif­fu­se Geruchs­emis­sio­nen redu­zie­ren sol­len, ist davon aus­zu­ge­hen, dass in der direk­ten Nach­bar­schaft eine gerin­ge Abnah­me der Häu­fig­keit der Geruchs­wahr­neh­mun­gen zu erwar­ten ist. An wei­ter ent­fern­ten Orten, wo der Geruch von NOW bis­her meist nur schwach wahr­zu­neh­men war, kann sich auch eine Abnah­me der Häu­fig­keit von Geruchsim­mis­sio­nen und somit eine gerin­ge­re Geruchs­be­las­tung im Sin­ne der Geruchs­emis­si­ons­richt­li­nie (GIRL) erge­ben. Die Geruchsim­mis­si­ons­kon­zen­tra­ti­on wird reduziert.Es wird erwar­tet, dass die als (beson­ders) unan­ge­nehm emp­fun­de­nen Geruchs­be­las­tun­gen abneh­men werden.

Am 17.11.2015 wur­de das von der Fir­ma NOW ein­ge­reich­te Kon­zept zur Umset­zung der Anord­nung gemäß § 17 BIm­SchG Az. 109/12 bespro­chen. Es wur­de ver­ein­bart, die Maß­nah­men an der Fett­spalt­an­la­ge und an der Abwas­ser­an­la­ge inner­halb der vor­ge­ge­be­nen Frist der ursprüng­li­chen Anord­nung umzusetzen.
Die kom­plet­te Umset­zung der ange­ord­ne­ten Maß­nah­men für das Tank­feld A ist inner­halb der Frist nicht mög­lich. Für die Anord­nung Az. 109/12 kann durch die not­wen­di­gen zeit­auf­wen­di­gen Pla­nungs- und Umset­zungs­maß­nah­men infol­ge des Bran­des der Neu­en-Fett­säu­re-Destil­la­ti­on (NFD)  am 20.11.2014 eine Ver­län­ge­rung von 6 Mona­ten begrün­det wer­den. Die­se muss die Fir­ma noch for­mal beantragen.
Bezüg­lich der für das Tank­feld A gefor­der­ten Maß­nah­men wird eine Abän­de­rung der Anord­nung von Amts wegen erlas­sen wer­den, damit die Ver­zö­ge­run­gen im Neu­bau der Tanks im Tank­feld A nicht zum Erlö­schen der Geneh­mi­gung und gleich­zei­tig einer Ver­let­zung der Frist der Anord­nung führen.

Zu den ein­zel­nen Fragen:

    1.    Wel­che ein­zel­nen Maß­nah­men sind der NOW für wel­che Jah­re zur stu­fen­wei­sen Umset­zung von 2012 bis 2017 kon­kret auf­er­legt worden?

In der Anord­nung ist nur der Zeit­rah­men der Umset­zung festgelegt.
Die Rei­hen­fol­ge der Umset­zung sowie der Zeit­raum der Umset­zung wur­den in einem mit IB abge­stimm­ten NOW-Kon­zept festgeschrieben.

2. War­um ist die Frist von fünf Jah­ren erforderlich?

Die Frist wur­de nach dem Grund­satz der Ver­hält­nis­mas­sig­keit fest­ge­setzt, da erheb­li­che Inves­ti­tio­nen mit den zu tref­fen­den Maß­nah­men ver­bun­den sind. Außer­dem ist die Dau­er der damit ver­bun­de­nen Pla­nun­gen, Geneh­mi­gun­gen und Umset­zung zu berücksichtigen.

3. Han­delt es sich bei der in dem Zitat genann­ten „aktu­el­len“ Sach­stands­an­fra­ge der BUE bei der NOW um die ers­te Sachstandsanfrage?

Wenn ja: War­um wur­de bis­her noch nicht nachgefragt?
Wenn nein: Wel­che vor­he­ri­gen Anfra­gen zu wel­chen Zeit­punk­ten mit wel­chen Inhal­ten gab es bereits?
Anfra­gen aus dem Bezirks­amt bezüg­lich der Nor­di­schen Oel­wer­ke gab es in der Ver­gan­gen­heit wie­der­holt, zuletzt im Janu­ar 2015. Die­se Anfra­ge bezog sich auf die Geruchs­be­las­tung und Maß­nah­men zur Min­de­rung. Eine Sach­stands­an­fra­ge aus dem Bezirks­amt an die BUE hat es seit der Über­ga­be der Unter­schrif­ten am 25.09.2015  durch Frau Appl an den Bezirks­amts­lei­ter bis heu­te nicht gege­ben.
Durch die BUE wird die Fir­ma NOW regel­mä­ßig über­wacht und dabei auch die Umset­zung der Anord­nung geprüft. Aktu­ell wur­de mit der Fir­ma ein Kon­zept abge­stimmt, um die Umset­zung der Maß­nah­men mög­lichst frist­ge­recht zu gewähr­leis­ten (sie­he 0. Sachstand).

4. Wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men sind geplant, um sich von  der sach­ge­rech­ten Umset­zung der stu­fen­wei­se durchgeführten

Emis­si­ons­ver­min­de­rungs­maß­nah­men zu über­zeu­gen? Plant die BUE bei­spiels­wei­se eine zeit­na­he Bege­hung des Indus­trie­ge­län­des der NOW? 

Die ein­zel­nen Maß­nah­men bedür­fen einer Ände­rungs­ge­neh­mi­gung gemäß § 16 BIm­SchG. Dadurch wird die sach­ge­rech­te Umset­zung gewähr­leis­tet und im Geneh­mi­gungs­an­trag auch durch ent­spre­chen­de Gut­ach­ten doku­men­tiert. Dar­über hin­aus beinhal­tet das Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren eine Inbe­trieb­nah­me­an­zei­ge durch den Betrei­ber und eine Schluss­be­sich­ti­gung, bei wel­cher der Betrei­ber die Ein­hal­tung der Geneh­mi­gung darlegt.
In der Anord­nung ist ein abschlie­ßen­des Geruchs­gut­ach­ten aus­drück­lich vorbehalten.

5. War­um ist nur eine „weit­ge­hen­de“ Erfas­sung der Geruch­sem­mis­sio­nen mög­lich und kei­ne voll­stän­di­ge Erfas­sung, zumal es sich um Abluft­an­la­gen han­delt, die an ganz bestimm­ten und bekann­ten Stel­len des Indus­trie­kom­ple­xes ange­bracht sind? 

Gerich­te­te Emis­sio­nen wer­den über die TNV gelei­tet und ver­brannt. Der Schwer­punkt der ange­ord­ne­ten Maß­nah­men liegt bei der Ver­min­de­rung und Ver­mei­dung dif­fu­ser Emis­sio­nen. Die­se voll­stän­dig zu erfas­sen, ist nahe­zu unmög­lich, zumal für die Wahr­nehm­bar­keit von Gerü­chen oft schon Kon­zen­tra­tio­nen im µg-Bereich aus­rei­chen.
Gene­rell ist eine Situa­ti­on, in der es kei­ner­lei Emis­sio­nen bei der Ver­ar­bei­tung von Fet­ten gibt, tech­nisch unrea­lis­tisch. Auf Grund­la­ge der Geneh­mi­gun­gen nach Bun­des-Immis­si­ons­schutz­ge­setz (BIm­SchG) besitzt die Fir­ma dar­über hin­aus Bestandsschutz.

6. Sons­ti­ges

Nach Umset­zung der bis­her ange­ord­ne­ten Maß­nah­men wer­den gege­be­nen­falls wei­te­re Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der Emis­si­ons­si­tua­ti­on not­wen­dig sein. Mit der Geneh­mi­gung Az. 177/13 wur­de ein Geruchs­grenz­wert  für die gefass­ten Emis­sio­nen fest­ge­legt, der zukünf­tig auch in den wie­der­keh­ren­den Emis­si­ons­mes­sun­gen über­wacht wer­den wird.

Zunächst fällt auf, dass die sehr kon­kret gestell­ten Fra­gen von Micha­el Wein­reich doch recht all­ge­mein beant­wor­tet werden.

In der Pres­se­er­klä­rung der Behör­de für Umwelt und Ener­gie (BUE) vom Novem­ber 2012, die Gegen­stand des Arti­kels in der WIP-Aus­ga­be 4/15 war, hieß es unter ande­rem: „Die Anord­nung vom Okto­ber 2012 sieht vor, „dass die auf­ge­führ­ten Maß­nah­men stu­fen­wei­se bis Anfang 2017 abzu­schlie­ßen sind.“ Micha­el Wein­reich fragt, um wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men es sich im Rah­men der ein­zel­nen Stu­fen han­delt. Dazu ant­wor­tet die Behör­de, die Rei­hen­fol­ge der Umset­zung erge­be sich aus einem „NOW-Kon­zept“, das aller­dings nicht vor­ge­legt wird. Auch wer­den kon­kre­te „Stu­fen“ von Maß­nah­men der Geruchs­ver­min­de­rung nicht benannt.
Ele­gant ver­mei­det damit die BUE eine wirk­li­che Beant­wor­tung der Frage.

Foto@Michael WeinreichUnd wenn Micha­el Wein­reich fragt, ob die Sach­stands­an­fra­ge bei NOW aus dem Novem­ber 2015 – offen­bar aus­ge­löst durch die Recher­che von Michael@WIP– schon  Vor­läu­fer hat­te und um wel­che Inhal­te es dabei ging, heißt es: Die letz­te Anfra­ge vom Janu­ar 2015 „bezog sich auf die Geruchs­be­las­tung und Maß­nah­men zur Min­de­rung“. Also so all­ge­mein hilft das doch nicht wei­ter! Viel­mehr inter­es­siert, wel­che Maß­nah­me die jewei­li­ge Stu­fe der Geruchs­min­de­rung erzeu­gen soll­te und ob das jeweils funk­tio­niert hat. So drückt man sich wie­der um eine kon­kre­te Antwort!

Aller­dings war­tet man mit dem über­deut­li­chen Hin­weis dar­über auf, dass das Bezirks­amt Ham­burg-Mit­te seit der Über­ga­be der Unter­schrif­ten aus der online-Peti­ti­on von Cin­zia Appl kei­ne Sach­stands­an­fra­ge bei der BUE gestellt habe. Danach hat­te Micha­el Wein­reich gar nicht gefragt. Der Ver­kehr unter den Behör­den ist für die Bür­ger bei wei­tem nicht so inter­es­sant wie die Fra­ge, ob die fach­lich zustän­di­ge BUE die nach wie vor mas­si­ven Geruchs­be­läs­ti­gun­gen im Rei­her­stiegvier­tel wir­kungs­voll bekämpft.

Ent­täu­schend ist fer­ner der Satz, „dass in der direk­ten Nach­bar­schaft (nur) eine gerin­ge Abnah­me der Häu­fig­keit der Geruchs­wahr­neh­mung zu erwar­ten ist“, wobei der über­aus freund­li­che Begriff „Geruchs­wahr­neh­mun­gen“ bis­her jeden­falls weni­ger zutref­fend ist als der Begriff „Gestanks­be­läs­ti­gun­gen“.

Ernüch­ternd ist auch der Schluss­satz der Ant­wort, dass „nach Umset­zung der bis­her ange­ord­ne­ten Maß­nah­men gege­be­nen­falls wei­te­re Maß­nah­men zur Ver­bes­se­rung der „Emis­si­ons­si­tua­ti­on“ not­wen­dig sein“ wer­den. Man fragt sich, war­um wei­te­re Maß­nah­men nicht gleich ergrif­fen wer­den, nach­dem die bis­her ange­ord­ne­ten Maß­nah­men die von vie­len Betrof­fe­nen erfah­re­ne mas­si­ve „Immi­si­ons­si­tua­ti­on“ nicht unter­bun­den haben.

Ich erin­ne­re hier an den „Schwei­ne­mäs­te­rei-Fall“, den das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt schon im Jah­re 1977 zuguns­ten der anwoh­nen­den Bür­ger ent­schied: Die Schwei­ne­mäs­te­rei muss­te wegen ihres Gestanks schlie­ßen, obwohl die Wohn­häu­ser in der Nach­bar­schaft erst spä­ter gebaut wur­den – Bestands­schutz hin oder her…

Und hier geht’s zum Bericht „Das stinkt zum Him­mel!“ Aus­ga­be 4/15 des WIP Magazins:
wip-wilhelmsburg.de/das-stinkt-zum-himmel/

P.S.:
Wen es so rich­tig stinkt kann sich an der online Peti­ti­on von Cin­zia Appl betei­li­gen. Infos, Kon­takt & Unter­schrift hier:
www.change.org/p/uns-stinkt-%CC%81s-nordische-%C3%B6lwerke-raus-aus-wilhelmsburg-now