Lieber Marco, ich hätte Dich ja gern persönlich für dieses Interview aufgesucht, aber diverse unnötige Wehwehchen wie mein feistes, dickes, blaues Auge schreien geradezu nach Homeoffice. Deshalb rufe ich Dich an. Bei zwei getrennt getrunkenen Kaffees quatschen wir dann gemütlich über dich, deinen Zinn des Lebens, deine Heimatinsel und so weiter. Beste Grüße Angela vom WIP Magazin
Es klingelt…
Marco: Hallo Angela, nun hat es ja geklappt, nach einigen Anlaufschwierigkeiten.
Angela@WIP: Hey Marco, ja Gott sei Dank, sorry. Nun habe ich mir ein paar Fragen zurecht gelegt. Nicht unbedingt intellektuell, und der Rest ergibt sich beim Klönen.
Marco: Gut. Leg los.
Angela@WIP: Wer bist Du eigentlich?
Marco: (Lacht) Oh, das ist ja schon fast philosophisch. Ich komme aus dem Osten, aus Weimar. Habe also Migrationshintergrund. Die Liebe zog mich vor 12 Jahren nach Hamburg und 4 Jahre später nach Wilhelmsburg. Dazu kam mein Studium. Mittlerweile habe ich eine neue Liebe, aber die Liebe und Faszination zur Insel der Gegensätze ist von Anfang an ungebrochen. Ich fühle mich hier schweinemäßig wohl. Damals startete die IBA gerade. Ich habe diese Reise also die ganze Zeit begleitet. Gerade diese überbordenden Möglichkeiten, die Aufbruchstimmung und Ungewissheit wohin es geht, machen Wilhelmsburg für mich so spannend. Die IBA war ja nur der Anfang der Stadtentwicklung. Jetzt heißt es weiter machen, sonst verliert man leicht wieder alles. Aber ich habe auch noch keinen Stadtteil erlebt, der sich so engagiert um seine Zukunft mitzugestalten. Ich liebe ja Reibungen. Reibungen machen alles erst interessant. Daran wächst man.
Angela@WIP: Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?
Marco: (Lacht schon wieder) Kaffee trinken, telefonieren, rum sitzen und so. Nein im Ernst, ich habe ja eine Film- & Fernsehproduktions Firma, die Hirn und Wanst GmbH. Das ist mein Hauptjob. Heute Vormittag war ich zum Beispiel beim NDR in Lokstedt um unser neustes Projekt weiter voran zu treiben.
Angela@WIP: Ach, das ist ja interessant, welche Details kann ich Dir dazu schon entlocken? Worum geht‚s? Name, Drehort, Erscheinungstermin?
Marco: Ein bisschen was darf ich schon verraten. Es wird ein Spielfilm. Eine Komödie in Norddeutschland. Ein Spielfilm und dazu noch eine Komödie ist die Kür beim Filme machen, gerade auch, weil wir bisher Dokumentationen oder Showformate wie die Konspirativen KüchenKonzerte produziert haben. Ich freue mich sehr und bin super gespannt. Der NDR und der Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt kamen nach dem Erfolg der Wilden 13 als Film und nun ja auch im ständig ausverkauften Thalia Theater in der Gaußstraße, auf uns zu. Du glaubst gar nicht wieviel Vorbereitung so ein Film bedarf! Drehstart ist mit den ersten grünen Blättern 2016. Wir haben einen riesen Respekt vor einem Komödienstoff, doch als ich heute in der Bahn das Drehbuch durchblätterte, dachte ich – Ich will den Film jetzt schon sehen!
Angela@WIP: Klasse, wir freuen uns auch drauf. Konspirative KüchenKonzerte, Euer Konzept für informatives Musikfernsehen lief in über 30 Folgen von 2011 bis 2013, richtig?
Marco: Ja. In meiner Küche hier auf dem Puhsthof. Uns fehlte auch die zeitgenössische Darstellung von Kunst im Fernsehen. Und da meckern nur die zweitbeste Alternative ist, hat sich das „Konspirative KulturKollektiv“ gebildet und ohne jede Erfahrung, Geld oder Sender angefangen zu produzieren. Gerade dieses raue aus der Hand filmen hatte den Charme. Das brachte uns zwei Mal die Nominierung für den Grimme Preis, obwohl wir Amateure waren. Ich liebe das Wort. Es heißt ja nichts anderes als dass man liebt was man tut. Die Rettung des guten Geschmacks, musikalische Leckerbissen mit guten Gesprächen wie man sie nur in der Küche führt, sind einfach ein klasse Konzept.
Angela@WIP: Und dann wurde es 2013 wild in Zinnwerken und bei Hirn und Wanst?
Marco: Genau. Wir haben immer schon gedacht, Wilhelmsburg ist doch der spannendste Fleck in Hamburg, wenn nicht sogar in Deutschland. Mitten im Umbruch. Da muss doch einer mal einen Film drüber machen. Hat aber niemand. Da haben wir es eben selbst getan. Aus dem Stoff der Magisterarbeit meiner Freundin Kerstin Schaefer wurde Buch, Film und später Theater. Der Erfolg ist umwerfend. Und nach 500.000 Klicks bei Start war auch dem NDR klar, dass der Stoff nicht nur was für Insulaner ist.
Angela@WIP: Und neben Film und Fernsehen bist Du Hausmeister der Zinnwerke…
Marco: Die Geschichtswerkstatt hat einen prima Namen für mich. Zinnprolet. Der Begriff stammt aus alten Werksschriften der zwanziger- dreißiger Jahre. Wir sind hier ca. 32 Kreative unter einem Dach und haben massenhaft Anfragen nach Platz und Räumen. Ich bin gespannt wie sich Bezirk und Senat nun zum Thema Kulturkanal positionieren. Damit steht und fällt die weitere Planung. Wir hier am Veringkanal kommen miteinander klar. Von Edeka Ziegler über das Atelierhaus 23 bis zum Krankenhaus Groß-Sand. Aber damit wir uns hier weiterentwickeln können, brauchen wir jedoch Planungssicherheit. Mit drei Monaten Kündigungsfrist in einem Vertrag der von „planungsbetroffenem Gebiet“ spricht, investiert man nicht. Aber das Potential ist doch da. Die Szene Hamburg brachte gerade die klasse Headline „Unkraut mit Blüten“, das passt doch perfekt!
Angela@WIP: Und dann gibt es da noch FlohZinn, Kanal & Liebe, Inselflimmern usw. neben Engagement für Standort und Heimatinsel…
Marco: Ja, ein echtes Zugehörigkeits- und Heimatgefühl für die Insel habe ich wirklich. Der FlohZinn hat Dank der Hamburger Kreativ Gesellschaft, die die Hallen angemietet haben, vorerst ein Dach überm Kopf. Nun können wir den allmonatlichen Flohmarkt (Immer am ersten Sonntag des Monats.) mit der Wilhelmsburger Tafel auch wettertauglich anbieten. Mal schauen wie es sich weiterentwickelt. Unser Vermieter die Sprinkenhof GmbH macht und investiert jedenfalls Null, weder in Fenster noch in Heizung. Das müssen wir hier auf eigene Kappe und Kosten regeln. Mit Inselflimmern, dem monatlichen Fernsehformat aus Wilhelmsburg haben wir das Mediadock aus dem Dornröschenschlaf geholt. Diese Bürgerredaktion macht auch richtig Spaß. Es ist faszinierend zu sehen, wie schnell sich die Idee verselbstständigt und die Teilnehmer das Konzept mit Leben füllen. Apropos, jeder der mitmachen möchte, kann noch einsteigen!
Angela@WIP: Meine letzte Frage ist klassisch im Poesiealbum Stile, aber neu interpretiert: Welche 3 Dinge würdest Du mit von der Insel nehmen?
Marco: Mmh. Auf jeden Fall ein ofenfrisches Fladenbrot von der Bäckerei Kismet und ne Flasche Deichbruch. Ach ja und unbedingt eine der farbenfrohen Obertrikottagen von unserem Lieblingsbuchhändler Detlef Lüdemann.
Danke Marco und bis bald mal. Dann unbedingt persönlich. Ohne blaues Auge, aber immer mit viel Hirn, Wanst, Zinn, Kaffee und Kanal.
Tschühüüüß.