Wo werden wir morgen leben?
Man kann sie nicht übersehen. IBA Hamburg hier. IBA Hamburg da. Aktuell mit 6 Projekten auf der Insel und überhaupt kräftig am planen und bauen seit 2006 zum Start der Internationalen Bauaustellung. Genau. So entstand auch der Name, der mittlerweile stark gewachsenen Stadtentwicklungsgesellschaft, zu 100% tätig im Auftrag der Stadt Hamburg.
Natürlich habe ich über die IBA Hamburg Projekte schon viel gelesen, gehört, oder seit den Vorbereitungen zur IGS (Internationaler Gartenschau) und IBA (Internationale Bauaustellung), Start 2013, vor allem viel wachsen gesehen. So wirklich Ahnung, habe ich aber echt nicht. Daher freue ich mich darüber, dass man als Pressetante mal näher ran kommt. Auge in Auge mit den Machern der IBA Hamburg. Nun treffe ich also auf Pressechef Arne von Maydell und Projektkoordinator Christian Hinz auf dem IBA DOCK, der Zentrale und Herz der IBA Hamburg.
Mit meiner Praktikantin Samira, Block, Stift und Kamera bewaffnet treffen wir uns auf dem IBA DOCK. Zwei große Din A 0 Pläne, „Vorher“ und „Nachher“ liegen bereit, damit ich besser verstehe, von welchem Ausmaß wir hier sprechen.
Quartiersentwicklung heißt es zu Neudeutsch. Den Begriff finde ich persönlich etwas ungemütlich. Mein „Viertel“ geht mir besser von der Zunge. Klingt irgendwie mehr nach geliebtem Zuhause. Ein Quartier bezieht man doch nur kurz? Die IBA Hamburg plant aber schon lange und für lange. Sechs neue Lebensräume sind zu viel für nur ein Gespräch. Also habe ich mir die Gebiete Wilhelmsburger Rathausviertel und Elbinselquartier gewünscht. Die lange, neue Zunge vom Rathaus bis zum Spreehafen. Zwischen Assmann Kanal und Jaffe-Davids-Kanal, bzw. Dratelnstraße.
Die Zunge, die sich über unsere alte Reichstraße legt. Mir gefällt der Begriff Zunge, merke ich gerade. Zungen sind doch super. Zungen sind in aller Munde und haben Geschmack.
Zahlen & Fakten zu den 6 Elbinsel Projekten:
Projekt | Elbinselquartier | Wilhelmsburger Rathausviertel | Inselparkquartier | Georgswerder | Spreehafen-Viertel | Georg-Wilhelm-Höfe (2. BA) |
Projektgebietsgröße (in ha) | 47 | 32 | 13 | 12 | 20 | 1,5 |
Wohneinheiten (ca.) | 2.100 | 1.600 | 650 | 190 | 1.100 | 150 |
BGF Gewerbe/ Handel/ Dienstleistung (in m²) | 29.000 | 29.000 | 2.000 | 15.000 | 31.000 | |
Grün- und Freiflächen (in ha) | 18 | 12 | 4 | 3 | 3 | |
Hochbaureife (ab 1. Teilabschnitt) | 2021 | 2021 | 2028 | 2021 | 2022 | 2022 |
Soziale Einrichtungen/ Nahversorgung Hochbaureife (ab 1. Teilabschnitt) | Schulcampus mit Grund- und Stadtteilschule sowie Gymnasium, Kitas, Quartierstreffpunkt, Nahversorgung, Spielplätze | Kitas, Studentenwohnheim, Nahversorgung, Spielplatz | Quartiersplatz, Kita | 3 Kitas, Nahversorgung, Spielplatz |
Quelle: IBA Hamburg (Stand: Februar 2020) – Städtebauliche Kenndaten Alle Angaben basieren auf den aktuellsten Kalkulationen und sind vorbehaltlich der endgültigen Funktions- und Bebauungspläne zu verstehen.
Recht zeitgleich wurden beide neuen Gebiete in Angriff genommen. Nach der IBA Hamburg Devise: Erst für neue Infrastrukturen sorgen, Lebensräume schaffen, dann Wohnraum bauen, bevor das neue Quartier bezogen wird. Keiner soll ins Niemandsland ziehen. Doch zurück gespult. In 2015 und 2016 starteten die städtebaulichen Wettbewerbe zu den beiden Planungsgebieten. Der Beirat für Stadtentwicklung im Bürgerhaus wurde mit herangezogen. „Für mich hat die Stimme des Beirats, der Wilhelmsburger einen echten Mehrwert in die Planung gebracht. Wer hier lebt, wen das Thema interessiert, hat sich jahrelang mit der Städteplanung beschäftig. Echtes Know How entwickelt, wenn es zum Beispiel auch darum geht, Verkehrsströme zu berücksichtigen. Ohne Scheuklappen das Ganze betrachten, “ berichtet mir Projektkoordinator Christian Hinz begeistert von der Planungsphase.
Rathausviertel und Elbinselquartier treffen an der Rotenhäuserstraße aufeinander. Sie werden ineinander übergehen, sich ergänzen. Beide entsprechen dem vom Hamburger Senat gewollten „Drittelmix“ (jeweils ein Drittel geförderter Wohnungsbau, frei finanzierte Mietwohnungen und Eigentumswohnungen). Aber auch architektonisch harmonieren die Viertel. „Das besondere wird sein, dass wir hier so viel Frei- und Grünfläche wie selten in Quartieren dieser Lage haben werden. Dazu die Kanäle. Auch die Hochpunkte werden übersichtlich sein. Der Mittelwert an Geschossen liegt bei 4 – 5. Acht Geschosse wird es nur 13x an verschieden Stellen geben. Dazu die Stadthäuser, Reihenhäuser mit kleinem Grundstück und ihren 2 – 3 Etagen, “ erklärt mir Christian Hinz. Aber wie viele Menschen werden auf der grünen Zunge ihr neues Zuhause finden? „Bei knapp 5000 Wohnungen und einem Durchschnitt von 2,5 Köpfen pro Wohnung, rechnen wir mit ca. 10.000 – 13.000 Menschen.“
Stichwort Infrastruktur. Können wir hier die vielen neuen Wilhelmsburger mitten auf der Insel, zwischen Reiherstieg und Kirchdorf mit allem lebensnotwenigen bedienen?
„Es wird 3 Quartierszentren geben und natürlich einzelnes eingestreutes Gewerbe. Ein Quartierszentrum besteht aus Lebensmittel Vollsortimenter, Discounter, Drogeriemarkt, Bäcker, Apotheke und so weiter. Das bestehende kleine Zentrum Ecke Dratelnstraße und Mengestraße bei Mc Donalds soll umgestaltet und erweitert werden. Es laufen Gespräche mit den privaten Eigentümern des Grundstückes. Unser Wunsch ist es dort komplett neu zu strukturieren und eine Einheit zu schaffen. Im Tiefgeschoss Parkflächen. Im EG Geschäfte und oben drüber Wohnraum,“ malt der Projektkoordinator mir ein Zukunftsbild auf. Ich erfahre, dass das zweite Versorgungszentrum in Höhe des alten SV Wilhelmsburg Sportplatzes am Vogelhüttendeich entstehen wird. Zwischen alter Reichstraße und Verlängerung Stenzelring. Das 3. Zentrum entsteht im neuen Spreehafenviertel. Direkt an der Georg-Wilhelm-Straße, südlich des derzeitigen Sportplatz „Landesgrenze“.
Gut, nun habe ich erfahren, was alles auf der alten ca. 40 Meter breiten Reichstraßen Trasse im Abschnitt Rathaus bis Anschlussstelle Georgswerder gebaut wird. Aber was passiert mit dem Stück Wilhelmsburg Mitte bis Kornweide? „Gebaut wird in diesem Abschnitt nicht. Der Inselpark wird mit zusätzlichen 7 ha Fläche zusammengeführt. Bestehende Wege werden endlich durchlaufen, “ erklärt mir nun Arne von Maydell der Pressesprecher. Ein grüner Korridor. Neu gewonnene Fläche die einfach mal frei bleibt. Finde ich prima.
Was ich unbedingt noch fragen will in diesem Gespräch ist, was denn eigentlich aus den ganzen Schrebergärten wird, oder geworden ist, durch die Verlegung der Reichsstraße und dem Bau der Quartiers-Zunge. Zur IGS in 2013, hatten schon viele Hobbygärtner ihre 2. Heimat eingebüßt, oder verlegt bekommen. „Gerade die Schrebergärten waren uns wichtig. Wir sind ja jede Woche zu Fuß in den Gebieten unterwegs, nah dran am Geschehen. Wir haben es geschafft, dass die Zahl von 255 Kleingärten im Quartier erhalten geblieben ist und die Kleingärtner wieder eine neue, sehr gut ausgerüstete Parzelle bekommen haben. Einige musste umziehen. Hier haben wir unterstützt und den „Sozialen Laubenfonds“ des Landesbundes der Gartenfreunde gestärkt, damit jeder eine neue Hütte bekommen konnte. Eine Art Finanzierung wie bei PKW, bei der man nach einer Zeit die Hütte auch günstig kaufen kann. Wichtig war uns jedoch, mit den Betroffenen vorher ins Gespräch zu kommen. Keinen einfach vor vollendete Tatsachen stellen, Zeit zu gewähren für den Umzug und vor allem erst die neuen Parzellen fertig gestellt zu haben, bevor der Umzug angesagt war. Die neuen Kleingartenanlagen rechts und links vom Assmannkanal sind nun deutlich besser, als die alten. Weniger Lärm, als direkt neben der Reichstraße, neue Wasser- und Stromversorgung. Auch Hecken, Wege und Gartenpforten haben wir erneuert. Die Skepsis der Gärtner uns gegenüber, oder der Umsiedlung gegenüber hat sich schnell gelegt, “ freut sich Christian Hinz. Wenn alle Parzellen fertiggestellt sind, dass wird im nächsten Jahr sein mit der Fertigstellung der Vereinshäuser, die die IBA Hamburg finanziert, wird es ein Fest für alle Schrebergärtner geben. Das muss sein, “ strahlt der Projektleiter.
Auf die Frage was ein toller Erfolg war, oder eine schöne Erinnerung in der bisherigen IBA Hamburg Geschichte, erzählt er mir von einer älteren Dame. „Eine kleine Geschichte an der man gut erkennen kann, dass wir vor Ort sind und auch „zum Anfassen“ sind. Eine ältere Dame um die 70, war etwas aufgelöst, weil sie nicht wusste wie sie ihren geliebten, fürchterlich schweren Blumenkübel mit zur neuen Parzelle bekommen sollte. Sie hatte keinerlei Hilfe aus Familie, oder Freundeskreis. Als wir dies mitbekamen, haben wir kurzer Hand mit angepackt und ein Bagger unserer Baufirmen, hat den Kübel, sorgsam auf die neue Parzelle befördert.“
Als Fussifreund höre ich auch genau hin, als die Neuordnung der drei Sportplätze kurz Thema ist. Die Verlegungen SV Wilhelmsburg vom Vogelhüttendeich an den Karl-Arnold-Ring hat ja schon stattgefunden. Die neue Anlage mit den 3 Kunstrasenplätzen ist wirklich eindrucksvoll. Allen Mitgliedern die Wehmut hatten bei Aufgabe des Traditionsstandortes, sind nun begeistert, weil es einfach absolut besser geworden ist. Der ESV Einigkeit und sein Sportplatz an der Dratelnstraße, Höhe Berufsschule, muss noch Geduld aufbringen, aber auch dort wird modernste Sporttechnik Einzug nehmen mit zwei Kunstrasenplätzen. Der FC Türkiye von der Landesgrenze an der oberen Georg-Wilhelm-Straße wird an den Stenzelring verschoben. Drei Kunstrasen und drei Tennisplätze entstehen dort. „Die IBA Hamburg hat mit Projektmitteln und Mitteln der Stadt in die 3 Sportstätten über 20 Mio. € investiert, “ berichtet Christian Hinz mir.
Einmal im Jahr lädt die IBA Hamburg zum Projektdialog ins Bürgerhaus. Die öffentliche Veranstaltung informiert über den Stand der Dinge und beantwortet Fragen zu allen Projekten. Letzter Dialog war im November 2019. Der nächste Termin wird im Herbst 2020 sein. Und natürlich wird dieser von der IBA Hamburg und auch von uns WIPS rechtzeitig bekanntgegeben.
Wer nun also denkt, „Ach hört sich doch spannend an. Grüne Zunge. Vielleicht wäre das auch etwas für mich. Nur wo bekomme ich aktuelle Infos her, oder den Start von Vermietung und Verkauf. Nicht, dass ich etwas verpasse…“ Der bekommt hier den Tipp von Christian Hinz: „Meldet euch beim IBA Hamburg Newsletter an. Unter www.iba-hamburg.de. Dann seid ihr immer auf dem Laufenden. Und kommt alle zum nächsten Projekt Dialog ins Bürgerhaus.“
Prima Tipp. Mach ich auch umgehend. Nun bin ich aber neugierig und kann nicht auf den nächsten Newsletter warten. Dann fahre ich doch jetzt mal schnell auf Schrebergarten-Tour. Mal schauen wie es da zwischen Assmannkanal und Jaffe-Davids-Kanal schon aussieht. Die grüne Zunge zwischen zwei Kanälen. Wo gibt es das schon, außer hier. Wo werdet ihr morgen leben? Natürlich in Wilhelmsburg!