Kunst & Liebe

Oder wie man von Äthiopien auf der Elbinsel strandet

Aus­ge­stell­te Bil­der und Por­träts in der Ved­de­ler Imma­nuel­kir­che im Zuge der „6. Elb­in­sel Kunst- und Atel­lier­ta­ge 2016“ mach­ten mich mäch­tig neu­gie­rig. Hier wur­de kein ein­heit­li­cher Stil gebo­ten, denn die Palet­te reich­te von schwarz-wei­ßem und far­bi­gem Por­trät, über die Moder­ne hin zum Mys­ti­schen, in einer bemer­kens­wer­ten Qua­li­tät und Ausdruckskraft.
Wer hat das denn geschaf­fen, frag­te ich mich und wel­chem Land kann man die­se Kunst zuordnen?

Nach etwas holp­ri­gem Anlauf bekam ich den Künst­ler zu fas­sen: Ale­maye­hu Hai­lye, aus Äthio­pi­en, wohn­haft seit ca. einem Jahr in Wil­helms­burg, davor ca. 3 Jah­re auf der Ved­del woh­nend, nach­dem er von der Schan­ze weg­ge­zo­gen war.
Na, da woll­te ich doch ein wenig mehr wis­sen, wie die­ser moder­ne ein­ge­schleus­te, ein­hei­mi­sche Elb-Insu­la­ner hier her gekom­men war und was ihn dazu getrie­ben hat. Und so ver­ab­re­de­ten wir einen Ter­min, um mei­ne Neu­gier­de zu befriedigen.
Nach ein wenig Recher­che im Inter­net erfuhr ich, dass Äthio­pi­en bekannt ist für sei­ne Male­rei und dass sei­ne ganz eigen­tüm­li­che Kunst­form eine lan­ge Tra­di­ti­on hat und eng mit der beweg­ten Geschich­te des Lan­des ver­knüpft ist. Und wei­ter erfährt man, dass die­se für Schwarz­afri­ka unty­pi­sche Male­rei ihre Wur­zeln hat im alten nord­afri­ka­nisch-vor­der­asia­ti­schen Kulturbereich.

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WIP: Ale­maye­hu, nun bin ich neu­gie­rig, was Dich von Äthio­pi­en hier her getrie­ben hat.
A: Die Liebe !

WIP: Na, das möch­te ich doch ein wenig genau­er wissen.
A: Ich hat­te mich an der Uni in Äthio­pi­en in eine dort stu­die­ren­de Ham­bur­ger Kom­mi­li­to­nin ver­liebt, mit der ich zusam­men ein Pro­jekt machte.

WIP: Wie hast Du Dich ver­stän­digt mit ihr, auf Englisch?
A: Auch, sie sprach aber schon eini­ger­ma­ßen unse­re Landessprache.

WIP: Und dann?
A: Dann flog sie wie­der zurück nach Ham­burg. Und ich, als wer­den­der Vater einer Toch­ter, folg­te ihr.

WIP: Das hört sich ja recht ein­fach an, aber ich kann mir vor­stel­len, dass das alles nicht sehr ein­fach für Dich war, oder?
A: Das stimmt. Wir wohn­ten in der Schan­ze, ich muss­te für den Unter­halt auf­kom­men, da ich kei­ner­lei Unter­stüt­zung bekam. So neben­bei habe ich Men­schen­kennt­nis erwor­ben, Kennt­nis über unter­schied­li­che Kul­tu­ren. Das war eine span­nen­de Zeit.

WIP: Wie kommt es, dass Du so gut deutsch sprichst?
A: Für die Auf­nah­me an der HFBK (Hoch­schu­le für bil­den­de Küns­te) am Ler­chen­feld muss­te ich zur Auf­nah­me nicht nur mei­ne künst­le­ri­sche Qua­li­fi­ka­ti­on nach­wei­sen kön­nen, son­dern auch die Qua­li­fi­ka­ti­on in der deut­schen Spra­che. Jeden Tag habe ich Deutsch gelernt, 10 Mona­te lang. Das hat­te ich vor­her noch nie gemacht in mei­nem Leben, sich so lan­ge nur auf eine Sache zu konzentrieren.

WIP: Wel­chen Schwer­punkt hat­test Du an der HFBK am Ler­chen­feld gewählt?
A: Zunächst Male­rei und dann Film und Ethik.

WIP: Wann hat­test Du Dei­ne Nei­gung zur Kunst in Dei­ner Jugend festgestellt?
A: Erst ein­mal haben mei­ne Eltern gemerkt, dass ich Talent zum Malen habe. Mei­ne Klas­sen­ka­me­ra­den waren auch immer begeis­tert, wenn ich für sie Bil­der mal­te. Dass ich ein beson­de­res Talent habe, wur­de mir erst bewusst, als mein Kunst­leh­rer mei­ne Arbei­ten immer behielt und ich sie eines Tages im Leh­rer­zim­mer an den Wän­den wie­der fand.

Im wei­te­ren Ver­lauf des Gesprä­ches stell­te sich her­aus, dass Ale­maye­hu sein HFBK-Stu­di­ums-Prak­ti­kum beim Ham­bur­ger Fern­se­hen absol­viert hat­te, um die digi­ta­le Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie sich anzu­eig­nen. Eben­falls erfuhr ich, dass man bereits wäh­rend sei­nes Stu­di­ums in Äthio­pi­en auf ihn auf­merk­sam gewor­den war, sei­ne Bil­der bereits in der Pres­se abge­bil­det waren und über ihn in Radio- und Fern­seh-Bei­trä­gen berich­tet wurde.

Dar­auf­hin mei­ne Frage:

WIP: Wäre es nicht ange­bracht, wenn Du zurück in Dein Land gin­gest, wenn Du da gro­ße Aner­ken­nung erfährst und dem­entspre­chend bes­ser hono­riert wirst?
A: Ja, natür­lich. Aber ich möch­te noch ein wenig war­ten, um mei­ne Kin­der her­an wach­sen zu sehen. Ich habe ja noch einen Sohn, der erst 4 Jah­re alt ist und zusam­men mit sei­ner Mut­ter auf der Ved­del wohnt. Der geht hier in die Kita. Zwei­mal die Woche gebe ich Kunst­un­ter­richt an der Ved­de­ler Schule.
Ich weiß noch nicht, wann ich zurück in mein Hei­mat­land gehe, um mei­ne künst­le­ri­schen Fähig­kei­ten wei­ter nach zu gehen.

Dann erfah­re ich noch, dass es für ihn kei­nen Unter­schied macht, ob er in Wil­helms­burg oder auf der Ved­del wohnt.

Und (jetzt wird es für die Elb-Insu­la­ner span­nend), hat er bereits Skiz­zen ent­wor­fen für sei­ne zukünf­ti­ge Aus­stel­lung, die das Mot­to trägt: „Elbe­strom mit Schif­fen und die Elb­in­seln“. Die nächs­ten 3 Mona­te will er sich damit beschäftigen.

Die Frage nach seinem nächstliegenden Traum lautet:
„Ein eigenes Atelier mit viel Platz!!!“

Falls zu die­sem Traum jemand eine Lösung hat, wen­det euch gern an die WIP-Redak­ti­on, wir rei­chen den Kon­takt weiter!