Foto@Robin Hinsch – „Fynn Steiner rechts“
Die Hingabe des Fynn Steiner. Mit allen Entbehrungen.
Im Rahmen des MS Artvilles habe ich den Hamburger Musiker, Künstler und Autor bei seiner Arbeit auf dem Festivalgelände besucht.
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Sie haben an der Columbia University Vergleichende Literaturwissenschaften studiert. Das würde ihre Tätigkeit als Autor erklären. Wie sind sie aber zur Musik und Kunst gelangt?
In der Band mit der alles anfing wurde mir klar, dass ein universitärer Weg für mich nicht in Frage käme. Ich habe gemerkt, dass Musik und Kunst genau das ist, was ich machen möchte.
Es gibt im Leben Momente, wo du einen Zustand erreichst, in dem du spürst, dass etwas sehr synchron zudem ist, wie du dich fühlst. So kam es, dass ich mich entschieden habe, hauptsächlich Musik zu machen und das Kunstkollektiv Krautzungen mitzugestalten.
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Was war das für eine Band mit der alles anfing? Gibt es die noch?
Damals hieß die Band „Die schmutzige Schönheit der Natur“. Es gibt sie noch, aber gerade nicht sehr aktiv.
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Sie sind Autor, Künstler und Musiker. Was fasziniert Sie am Meisten von alle dem? Wenn Sie jemand nach Ihrem Beruf fragt, was sagen Sie?
Ich möchte die verschiedenen Rollen gar nicht so trennen. Für mich sind sie alle Eins und ergänzen sich gegenseitig. Wenn aber einer kommen und sagen würde: Herr Steiner Hand auf’s Herz, dann würde ich wahrscheinlich Dichter sagen.
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In Ihrem Text der Veranstaltung „Alles für die Kunst“ haben Sie geschrieben: dass das wahre Wesen des Künstlers in seiner Leidensfähigkeit liegt und dass er bereit sein müsse, alles für die Kunst aufzugeben. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Wenn man sich entscheidet Künstler, Musiker oder Schriftsteller zu sein, bedeutet das, dass man sich bewusst gegen viele andere Alternativen ausspricht. Zum Beispiel hatte ich das Angebot eine Doktorarbeit zu schreiben abgelehnt. Durch die Annahme desselben hätte ich viel weniger finanzielle Sorgen. Jetzt ist es ein Leben, das sprichwörtlich von der Hand in den Mund funktioniert. Es stellt sich die Aufgabe die alltäglichen Schwierigkeiten trotz wenig Geld zu meistern. Meine Wurzelbehandlungen waren nur möglich, weil zufällig eine Freundin von mir Zahnärztin ist. Man gibt auf, ein Stück Gesellschaft im herkömmlichen Sinne zu sein. Du kannst materiell nicht mehr mit deinen Freunden mithalten. Diese haben sich anders entschieden: für Haus und Familie. Ich wohne in einer dreckigen Wohnung mit einem Freund von mir zusammen und mache Musik, statt das Geschirr abzuspülen.
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Wie ist es für Sie, zu sehen wie Ihre Freunde einen anderen Weg parallel zu Ihnen einschlagen?
Es ist nicht immer leicht. Ich bin jetzt dreißig. Das ist so das Alter wo die Freunde erwachsen werden und Familien gründen. Da rauf zu gucken und zu akzeptieren, dass im eigenen Leben alles anders verläuft, bedeutet, für die Kunst leben zu wollen. Also da braucht man diese Leidensfähigkeit. Beim Kuratieren der Veranstaltung „Alles für die Kunst“ habe ich bewusst Leute ausgesucht die hingebungsvoll intensive und tolle Kunst schaffen – mit Leidensfähigkeit dabei sind.
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Wie kamen Sie selbst mit der Kunst in Berührung?
Ich glaube, dass es Zustände im Menschen gibt, die sich nicht anders ausdrücken lassen, als mit Malerei. Wenn ich unruhig bin und mir mein Leben als ungeordnet erscheint, hilft es mir oft ein Bild zu malen, um wieder klarer zu sehen. Für mich ist es, obwohl das wohl kaum als originell gelten darf, sowohl eine Art Therapie, als auch eine Notwendigkeit.
Es gibt Bilder im Kopf, die nicht so sehr der Sprache entsprechen, sondern vielmehr dem Bild.
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Sind Sie der Meinung, dass Leidenschaft immer Leiden mit sich bringt oder anders gefragt, dass man um Leidenschaft zu erleben, bereit sein muss, zu leiden?
Ich denke ja, aber ich bin vom Typ her einfach so. Die Menschen, die mich faszinieren, haben meistens eine sehr eigene Leidensgeschichte. Ich finde, dass man daran wächst, wenn man Leid erfährt. So z.B. auch Lou Reed: „Vicious/You hit me with a flower/You do it every hour/
Oh, baby, you’re so vicious(…)”.
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Können Sie in Bezug zu diesem Thema einen kleinen Vorgeschmack darauf geben, was uns am Freitag den 25. Juli auf dem Artville erwarten wird?
Ich habe ausschließlich Kunstmacher eingeladen, die exzessiv Musik, Film und Performance betreiben. Damit gemeint ist beispielsweise Peter Sempel, der am Freitag den Film „Die Ameise der Kunst“ zeigen wird. Das wird der Auftakt sein. Peter Sempel ist seit 33 Jahren Independent Filmer, der eine besondere Art von Kunstfilm dreht. Auch er hätte sich entscheiden können, kommerziellere Filme zu machen, aber er hat das ausgeschlossen. Ihn hat immer nur der eigene Zugang zum Künstler interessiert und in Konsequenz hat er eine –in Geschmack und Form- einzigartige Bildwelt erschaffen, die Künstler von Blixa Bargeld bis Lemmy viel besser erfasst, also herkömmliche Dokumentationen es vermögen. Er ist ein sehr schönes und originelles Beispiel dafür, was es bedeutet, sein Leben der Kunst zu opfern. Nach dem Film wird es eine Performance(Mercedes Tuccini), drei Konzerte (Schnipo Schranke, Katrin Achinger, Der Bürgermeister der Nacht) und zwei DJs (DJ SKL und DJ COLA) geben. Parallel dazu gibt es eine Ausstellung der Künstlerin Fehmi Baumbach in unserem Krautzungen-Kubus, der ehemaligen Galerie des Tages.
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Sie treten an diesem Abend mit Ihrer Band „Der Bürgermeister der Nacht“ auf. Wie ist diese Band entstanden? Steht sie sinngemäß für etwas? Welche Botschaft möchte die Band vermitteln?
Die Band besteht maßgeblich aus Joachim Franz Büchner und mir( später dazu gekommen sind Schalgzeuger Mike Witschi und VJ Robin Hinsch). Wir haben uns auf einem Konzert meiner ersten Band „Die schmutzige Schönheit der Natur“ kennen gelernt. Joachim Franz Büchner war im Publikum und war total begeistert, weil es für ihn den Anschein machte, als parodierten wir eine Independent Pop Band. In Wahrheit waren wir einfach schlecht. Fynn Steiner lächelt. Irgendwann hat sich heraus kristallisiert, dass wir beide Bock darauf haben, zusammen Musik zu machen. Es war wie das zufällige Aufeinanderprallen zweier Kometen. Alles Weitere war Explosion.
Wir verstehen uns im weitesten Sinne als Fortsatz dessen was unter dem Label Diskurspop und dem Begriff Hamburger Schule zusammengefasst wurde. Früher waren das Tocotronic, Die Sterne und Blumfeld. Das heißt, wir haben den Anspruch Musik zu machen, die Spaß macht, aber gleichzeitig das Niveau hat, Literatur zu sein und etwas auszusagen. Wir stehen für wahnsinnig hohe lyrische Qualität und den absoluten Willen zum Auftritt. Das kann dann wieder subsumiert werden zu „Alles für die Kunst“. Das ist schon unsere Bandphilosophie.
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Sie sind auf dem Artville nicht nur als Musiker, sondern auch als Künstler präsent. An was bauen Sie? Welches Thema bearbeiten Sie damit?
Wir, das Kunstkollektiv Krautzungen, bauen einen Kubus, in dem jeden Tag andere Kunst dargeboten wird. Wir beschäftigen uns mit dem Suchen und Finden von Neuem. Deshalb haben wir als Thema dieser Galerie Cut-Up-Odyssee. Wir suchen die Irrfahrt mit der Methode des Cut-Up‚s. Das bedeutet, dass aus verschiedenen, ihrem Kontext entrissenen Elementen etwas Neues entstehen soll. Unter diesem Oberthema wird es jeden Tag eine Ausstellung, Konzert, Performance oder Installation geben. Meine eigene trägt z.B. den Titel „Wenn ich geahnt hätte, dass wir fotografiert werden, hätte ich mir einen anderen Pullover angezogen.“. Das weitere Programm findet sich unter: https://krautzungen.org/dockville/
Warum lohnt es sich am Freitag zu kommen? Gibt es eine Überraschung?
Wir werden alles Menschenmögliche für den Welterfolg tun, darauf mein Wort. Ja, es gibt eine Überraschung und zwar, dass es einen Striptease von Mercedes Tuccini geben wird. Aber das ist natürlich geheim!