Kolumne: Also, ich seh‚ das so…
„Mir stinkts hier!“ sagt meine Frau, als wir mit unseren Enkelkindern an der Haltestelle Veringstraße Mitte aussteigen.
„Ich rieche es auch. Was ist das für ein Geruch? Chemie? Industrie?“ So etwas habe sie noch nie gerochen, meint meine Frau. Ich kann das nur bestätigen. Es ist neu für uns. Wir wohnen ja auch noch nicht so lange hier.
Die Norddeutschen Oelwerke (NOW) stinken seit 1920, heißt es, teilt mir Cinzia Appl mit, eine couragierte junge Wilhelmsburgerin, die eine online-Petition gegen den Gestank initiiert hat. Dort würden tierische und pflanzliche Fette verarbeitet, neuerdings angeblich nur noch pflanzliche. „Allerdings stinkt es immer noch unterschiedlich!“ so Cinzia Appl.
Haben Sie sich schon einmal mit der Geschäftsleitung in Verbindung gesetzt, frage ich sie. Antwort: Nein, jemand, der ein so großes Wohngebiet seit mehr als 40 Jahren vollstinkt, dem ist das doch egal oder? Ich kann das nachvollziehen.
Cinzia Appl: Im Jahr 2012 soll die IBA einen Deal an die NOW herangetragen haben: Die NOW sollten ihre Geruchsemissionen wegmodernisieren und dafür industrielle Abwärme an den Energiebunker verkaufen. NOW habe diesen Deal leider nicht mitgemacht. Aber die Idee mit der Abwärme fand man klasse. Die liefere NOW jetzt an Hamburg Energie – ohne Modernisierung.
Es wird viel über die Geruchsemissionen von NOW diskutiert in Wilhelmsburg. Was ist mit EU-Normen? Werden hier nicht Grenzwerte überschritten? Gibt es für Gestank überhaupt Grenzwerte? Keiner will dafür zuständig sein! Ist es nicht inzwischen besser geworden? Mal ja, mal nein! Manchmal stinkt es immer wieder grauenhaft. Nur noch pflanzliche Fette? Wer prüft das eigentlich nach? Haben die noch keinen Bio-Filter? Gibt es dort nicht eine defekte Dichtungsklappe?
Cinzia Appl hat ihre online-Petition inzwischen Bezirksamtsleiter Grote vorgelegt. Dieser weist zunächst darauf hin, dass der Senat im Koalitionsvertrag die „Beendigung der Geruchsbelästigung im Reiherstiegviertel explizit festgeschrieben“ habe und bietet eine „Sachstandsbeschreibung“ zu der technischen Überwachung der NOW an – unter Einbeziehung diverser Fachbehörden. „Sachstandsbeschreibung“ – das klingt doch noch sehr verhalten oder?!
Der Pressesprecher der Behörde für Umwelt und Energie (BUE), Herr Jan Dube, bietet folgende Lösung an:
„Die Umweltbehörde hat im Oktober 2012 eine Anordnung zur Reduzierung der Geruchs-immissionsbelastung bei den Nordischen Oelwerken (NOW) erlassen. Im
Rahmen der Sanierungsanordnung sind den NOW Maßnahmen zur Geruchsminderung auferlegt worden. Die Anordnung sieht vor, dass die aufgeführten Maßnahmen stufenweise bis Anfang 2017 abzuschließen sind. Insgesamt dienen alle Maßnahmen der Modernisierung der Anlagen und der Vermeidung von Emissionen. So beinhaltet die Modernisierung des Tankfeldes beispielsweise zusätzliche Aktivkohlefilter und die Optimierung der Ablufterfassung. Ziel ist eine Vermeidung von Emissionen und die möglichst weitgehende Erfassung der noch verbleibenden. Die Firma wurde aktuell aufgefordert, zeitnah einen Bericht zum Stand der Umsetzung der Maßnahme vorzulegen.“ Nur fünf Jahre Frist! Das stimmt doch hoffnungsfroh! Weihnachten 2017 nur noch mit „verbleibendem“ Gestank im Reiherstiegviertel – das wäre ein echtes Weihnachtsgeschenk für die Menschen dort. Bis dahin? Man kann nur hoffen, dass inzwischen nicht gerade an den Festtagen, wenn die Behördenmitarbeiter Urlaub haben, besonders intensiv abgeblasen wird, wie man das anderswo schon des Öfteren erlebt hat….