Osterhasens Outing

Welch ein schö­ner Oster­tag im April 1950. Mei­ne Mut­ter mein­te, da müs­sen wir doch unbe­dingt spa­zie­ren gehen. Also, ange­zo­gen und hin­aus auf die Schö­nen­fel­der Stra­ße. Wir wohn­ten auf Unter­mie­te in Nr. 41, einem gro­ßen stroh­ge­deck­tem Haus mit vier gro­ßen Pap­peln davor. Es ging in Rich­tung Müh­le. Dort hat­te ich dem letz­ten Mül­ler (Erwin Sie­vers) bei der Arbeit des Öfte­ren zuge­schaut, wie er, weiß-gepu­dert vom Mehl, sei­ne Getrei­de- oder Mehl­sä­cke auf der Sack­kar­re hin und her trans­por­tier­te. Er war mir klei­nem But­je gegen­über nicht sehr gesprä­chig. Das heißt: Er sag­te über­haupt nichts, son­dern ver­rich­te­te nur sei­ne Arbeit.

Aber heu­te, am son­ni­gen Oster­tag, ging es nicht zur Müh­le, son­dern auf die Holz­brü­cke zum Über­que­ren der Wil­helms­bur­ger Dove Elbe. Drü­ben ange­kom­men, ging es zunächst ein­mal auf der Hövel­pro­me­na­de rechts her­um und dann links ent­lang einer gro­ßen Wiese.

Wäh­rend wir uns unter­hiel­ten, wech­sel­te mei­ne Mut­ter ab und zu vom Weg zur Wie­se und zurück und pflück­te dabei ein paar Blüm­chen. Nach gewis­ser Zeit mein­te sie: „So, nun kön­nen wir ja wie­der nach Hau­se gehen“. Wäh­rend unse­res Rück­mar­sches sprach sie vom Oster­ha­sen, der ja, wie ich wüss­te, Oster­ei­er für die Kin­der ver­ste­cken wür­de. Also soll­te ich doch ein­mal auf die Wie­se gehen und nach­schau­en, ob da nicht Oster­ei­er für mich ver­steckt seien.

Ich aber woll­te nicht, auch nicht nach mehr­ma­li­gem gutem Zure­den. Mei­ne Mut­ter frag­te schließ­lich, war­um ich denn nicht wol­le. Ich mein­te, wenn der Oster­ha­se Eier ver­steckt hät­te, woher soll­te ich denn wis­sen, ob die für mich sei­en. Die könn­ten ja für ande­re Kin­der bestimmt sein und gar nicht für mich.

Mei­ne Mut­ter konn­te mit Engels­zun­gen so viel reden, wie sie woll­te: ich ging per du nicht zum Oster­ei­er­su­chen auf die Wie­se. Ihr blieb also nichts ande­res übrig als mir zu erklä­ren, dass sie beim Hin­weg wäh­rend des Blüm­chen-Pflü­ckens heim­lich ein paar Oster­ei­er ver­steckt hät­te und die­se Eier tat­säch­lich für mich sei­en, wenn ich wel­che fände.

Das sah ja nun ganz anders aus für mich. Damit war zwar die Mär vom Oster­ha­sen geges­sen, ich aber brach­te wun­der­schö­ne Oster­ei­er mit nach Hause.

Das mit dem Oster­ha­sen-Outing emp­fand ich als nicht so dra­ma­tisch, da ich sowie­so schon ein biss­chen an ihm gezwei­felt hat­te. Mir blieb ja schließ­lich noch der Weih­nachts­mann übrig. Und da war ich mir ganz sicher, dass es den gab, was mei­ne Mut­ter zu mei­ner Erleich­te­rung fel­sen­fest bestä­ti­gen konnte.