In 80 Jahren um den Tresen

Töchterchen Nicole ist Willis rechte Hand.

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Bild 48 mit Kumpel

Freund Ingo Stoll ist Wil­li oft eine gro­ße Hil­fe beim Einkauf

 

80. Oh ha. Am 22. Novem­ber ist es soweit. Wil­li hat Geburts­tag. Ein Grund für mich wie­der ein­mal die Pia­no­la Bar im Vogel­hüt­ten­deich zu besu­chen. Neben rich­tig lecke­rem Essen gibt es in der kusche­li­gen Gast­stu­be immer vie­le Anek­do­ten zu hören. Von Frü­her, von Wil­li und von 80 Jah­ren rund um den Tresen.

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Die­ses Mal habe ich mei­ne Mut­ter mit­ge­schleppt. Die liebt das Ado­m­eit-Pia­no­la Ambi­en­te eben­falls. Erst­mal wird natür­lich geschlemmt. Klei­ne Kar­te, dazu die Tages­kar­te. Das garan­tiert abso­lu­te Fri­sche. Und zugu­cken beim Kochen kann man auch.

Die Küche steht immer offen und wenn man den kur­zen Weg zum lau­schi­gen Bier­gar­ten im Hin­ter­hof wählt, dann geht’s eh ab durch die Küche, vor­bei an den bru­zeln­den Pfannen.

Lecker Haus­manns­kost.

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Gekocht vom gelern­ten Schlach­ter Wil­li per­sön­lich oder von sei­ner rech­ten Hand, sei­nem bes­ten Pferd im Stall. Töch­ter­chen Nico­le ist von Anfang an im Fami­li­en­un­ter­neh­men eine gro­ße Hil­fe und Mäd­chen für alles.

Glück­se­lig abge­füt­tert sit­zen wir nun zu dritt zusam­men in der Gast­stu­be zwi­schen all den alt, älte­ren und anti­ken Fund­stü­cken an Wän­den und sogar Decke. Kan­nen, Deko, fri­sche Blu­men und jede Men­ge Dekor aus Grün­der­zeit und Co., machen den gemüt­li­chen Charme aus.

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Begin­nen wir die Zeit­rei­se ange­fan­gen in Neuhof. Erzähl doch mal Willi…

Willi Adomeit Neuhof Werbung 001„Ein Jahr nach mei­ner Geburt in 1938 eröff­ne­ten mein Vater, der auch Wil­li hieß und mei­ne Mut­ter Mary die Gast­stät­te Köhl­brand in der Nip­pold­stra­ße 223. Dank der Bus­haltstel­le direkt davor hat­ten wir schnell die Hafen­ar­bei­ter als Stamm­kun­den. Der Laden wur­de schnell eine Gold­gru­be dort auf der Ecke. Der Scheiß Krieg kam, mein Vater wur­de 42 ein­ge­zo­gen und fiel in den letz­ten Kriegs­ta­gen in Ungarn. Mei­ne Mut­ter bau­te den Laden wie­der auf. Ich wur­de mit 16 Jah­ren in die Schlach­ter­leh­re geschickt. Raus nach Mell­dorf, wie in Qua­ran­tä­ne, damit ich weg war von den Ver­su­chun­gen der Groß­stadt. Danach habe ich in ver­schie­de­nen Schlach­te­rei­en in Ham­burg gear­bei­tet. Als ich 25 war rief mei­ne Mut­ter nach mir. Ich soll­te den Laden lei­ten. Ab 62, als der Rock‚n Roll und die Coca Cola kamen, wur­de der Laden dann umge­baut. In ein Spei­se­lo­kal wei­ter­hin mit lecke­ren Steaks und dem Ren­ner Cur­ry­wurst, dazu mit Kamin­bar und Tanz­lo­kal mit 100 Sor­ten Whis­key,. Mit­tags hat­ten wir wei­ter die Hafen­jungs da. Die rie­fen an, bestell­ten 15 Mal Cur­ry­wurst, dazu ein gro­ßes Glas Korn mit Fris­co. Wir baten die Gäs­te auf­zu­ste­hen und mal ein Vier­tel­stünd­chen Platz zu machen für die Jungs die ihre „Hal­be“ (Pau­se) bei uns ver­brin­gen woll­ten. Schnell Zei­tun­gen auf die fri­schen wei­ßen Fäl­le unse­rer Bän­ke und schon konn­ten die Jungs mit ihren raben­schwar­zen Hosen Platz neh­men. Das klapp­te immer super, jeder Gast hat­te Ver­ständ­nis. Wir waren bald eine Insti­tu­ti­on. Man kann­te uns. Selbst von St. Pau­li kamen die See­leu­te zu uns. Abends ging es dann rund. Es war immer bre­chend voll an den Wochen­en­den. Damals wur­de noch rich­tig Whis­key gesof­fen. Die Spar­klubs kamen und wir wur­den Ver­eins­lo­kal vom FTSV Neu­hof. Wir bau­ten eine Büh­ne und so konn­ten auch Bands wie die Dym­onds live bei uns auf­tre­ten. Das war eine unglaub­li­che Zeit.

NEUHOF
„Es war immer bre­chend voll an den Wochen­en­den. Damals wur­de noch rich­tig Whis­key gesoffen.“

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Zu mei­nen schöns­ten Erin­ne­run­gen und Momen­ten gehö­ren daher auch unse­re Neu­hof Tref­fen. In den 80er ent­stand bei einem Besuch von Alte-Neu­hö­fern bei mir im Top Ten spä­ter an der Außen­müh­le, der Wunsch nach einem Wie­der­se­hens­tref­fen. Es wur­de zuerst ein klei­ner Ver­tei­ler ange­spro­chen. Beim 1. Tref­fen waren wir 30 Leu­te. Das wur­de aus­ge­baut. Jeder kann­te jeman­den der jeman­den kann­te. Beim 2. Tref­fen waren wir schon 200. Elke und Klaus Rahn über­nah­men den Ver­tei­ler. Beim nächs­ten Tref­fen im Bür­ger­haus waren wir dann 500 Alt-Neu­hö­fer. So vie­le, dass wir ver­staub­te Stüh­le aus dem Kel­ler dazu holen muss­ten. Die Aben­de waren ein­fach zu schön. So vie­le bekann­te Gesich­ter, alte Erin­ne­run­gen. Lei­der ist das letz­te Tref­fen bald 10 Jah­re her, ein Orga­ni­sa­tor ver­starb. Die­se Wie­der­se­hens­tref­fen wie­der auf­le­ben zu las­sen, wäre für mich unbezahlbar.“

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Willi Adomeit Postkarte Neuhof 001

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Ohne Frauen läuft nichts. Simona, Nicole und Jadwiga mit ihrem Lieblingschef.

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Mitt­ler­wei­le blät­tern Mama und ich in Wil­lis pri­va­ten Foto­al­ben. Schwarz-weiß Bil­der der Fami­lie aus Kriegs­ta­gen, Feld­post, alte Post­kar­ten von Neu­hof, Urlaubs­fo­tos vom eigen Segel­boot das rund 20 Jah­re auf Mal­lor­ca zuhau­se war, Mara­thon­läu­fe, süße Kin­der­bil­der von Toch­ter Nico­le und gro­ßen Bru­der Timo, roman­ti­sche mit Frau Inge zu der alle immer nur Ina sag­ten und eben auch dem Abriss der Kult­gast­stät­te Köhl­brand um 1976, als die die Köhl­brand­brü­cke schon 2 Jah­re stand.

Puhhh, da ist man schon ergrif­fen, wenn man da so ein Lebens­werk unter der Abriss­bir­ne sieht. „Wann kam den Ina in dein Leben, fra­ge ich Wil­li und gebe damit den Start­schuss für die Geschich­te eines wei­te­ren Lebensabschnittes…

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Bildschirmfoto 2017-11-13 um 18.47.43„Wir lern­ten uns 1962 ken­nen. Ina ist die Frau mei­nes Lebens, die pass­te in die Welt und konn­te mit mir umge­hen. Wir sit­zen ja auch gera­de in ihrem Eltern­haus. Ina, mei­ne Mut­ter, mei­ne Tan­te und spä­ter auch Nico­le waren schon zu Neu­hof Zei­ten eine rie­sen Hil­fe. Ohne Frau­en läuft gar nichts. Die waren und sind sehr wich­tig in unse­rem Team. Als wir dann Neu­hof ver­lo­ren und wir die Gas­tro­no­mie an der Außen­müh­le 78 über­neh­men woll­ten, wur­de wie­der an einem Strick gezo­gen. Nach 8 Mona­ten Umbau zu einem, wie ich immer sage- Spei­se­lo­kal in dem man tan­zen kann und Tanz­lo­kal in dem man Spei­sen kann- eröff­net wir im Herbst 78. In Har­burg war Ver­kehrs­cha­os bis zum Bahn­hof. Nix ging mehr.

Wenn wir am Wochen­en­de die Dis­co des Top Ten um 20 Uhr eröff­ne­ten stan­den schon min­des­tens 30 Leu­te vor der Tür. Wir hat­ten vor­her die pro­mi­nen­ten Ham­bur­ger Dis­cos besucht wie Tri­ni­ty und Co. um uns deren Musik­an­la­ge anzu­schau­en. Wir woll­ten bes­te Tech­nik in unse­rem Laden. Und das gelang auch.

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Vor Eröff­nung luden wir noch Har­burgs hono­ri­gen Gas­tro­no­men ein. Hel­mut König vom Marm­s­tor­fer Schüt­zen­hof, Heinz Diek von der Grü­nen Tan­ne und so wei­ter. Ich hör­te wie sie sich zuzisch­ten „Dem gebe ich maxi­mal 6 Monate“.

Es wur­de 23 Jah­re. 2001 wur­de auch die­ser Mei­len­stein unse­rer Geschich­te abge­ris­sen. Wir waren ja damals Green­horns in der Dis­co­sze­ne, wuch­sen aber schnell hin­ein. Tür­ste­her brauch­ten wir vie­le Jah­re nicht. Das regel­ten wir selbst. Zuerst mit mir und einem ande­ren Kerl. Aber allein der Anblick von Män­nern am Ein­gang sorg­te wohl schon für man­che Aggres­sio­nen bei männ­li­chen Gäs­ten, wenn es bei uns hieß „Mit schmut­zi­gen Turn­schu­hen und alko­ho­li­siert kommt ihr nicht auf unse­re Tanzfläche.“

Wir muss­ten öfter sel­ber durch­grei­fen, woll­ten die Poli­zei nicht mit so unwich­ti­ge Din­gen beläs­ti­gen. Die Eigen­re­gie haben uns die grü­nen Jungs sogar manch­mal übel genom­men. Ein­mal haben zwei bekann­te, sehr kräf­ti­ge Har­bur­ger Jungs weil sie es wohl lus­tig fan­den auf unse­re Tanz­flä­che gepin­kelt. Der gan­ze Saal schau­te zu als wir ein­grif­fen und die ver­meint­lich har­ten Jungs mit ein-zwei freund­li­chen Grü­ßen kurz zur Ruhe brach­ten. Das muss­te damals manch­mal sein. Nur so hast du dir Respekt ver­schafft und wei­te­re Stö­run­gen ver­mie­den. Bes­te Idee war dann lie­ber unse­re Mädels in chi­cen Abend- oder Cock­tail­kleid an die Kas­se zu set­zen. Dazu das neue Schild über dem Ein­gang „Ihre Gar­de­ro­be ist unse­re Visi­ten­kar­te“, das sorg­te schon beim Ein­lass für weni­ger Stress und gepfleg­tes Publikum.

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„Dem gebe ich maxi­mal 6 Mona­te“. Es wur­de 23 Jahre.

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Eine idea­le Erwei­te­rung war dann die Idee von Ina und Nico­le ‑jeden Sonn­tag Tanz­tee ab 15 Uhr- Damit zogen auch die Älte­ren ins Top Ten. Im Grun­de war das wie ein Hei­rats­markt. So vie­le lern­ten sich in der Dis­co oder beim Tanz­tee ken­nen. Wenn in Neu­hof schon rich­tig die Post ab ging, dann im Top Ten erst recht. Allein auf den Außen­müh­len­fes­ten wur­den an drei Tagen schnell mal 90 Fäs­ser Bier aus­ge­schenkt und 3000 Grill­würs­te gebra­ten. Die noch klei­ne Nico­le mach­te manch­mal hun­der­te von Eis­be­chern an einem Tag, ste­hend auf der Kühl­tru­he, damit sie über­haupt da ran kam. Dann fand ein Außen­müh­len­lauf statt in den 80er. Wir vom Top Ten mach­ten mit und stell­ten sehr schnell fest wie unfit wir waren. Es wur­de also eine Lauf­trup­pe gegrün­det. Das war eine der bes­ten Ent­schei­dun­gen mei­nes Lebens.“

Der Mara­thon Gast­wirt. Ja das ist wohl eins der typi­schen Bil­der die einem sofort in den Kopf kom­men, wenn man an Wil­li denkt. 23 Mara­thon und unzäh­li­ge Volks­läu­fe auf der Insel, Ber­lin, Bar­ce­lo­na und sogar in New York. Und der Lauf in New York 1995 ist der Lauf, der Wil­lis Augen heu­te immer noch zum Strah­len brin­gen. Damals an den Twin Towers vor­bei, auch wenn die vom Start­punkt in New Jer­sey unglaub­lich weit weg waren. Da tra­gen die Anzug­trä­ger schon Tage vor­her Turn­schuh zum Anzug als Zei­chen, dass sie Sonn­tag beim Lauf dabei sind. Wie sieht es den aktu­ell mit der Lauf­kar­rie­re aus, fra­ge ich den Mara­thon Gastwirt…

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Willi Adomeit Marathon 001

Der Marathon-Gastwirt bei einem seiner unzähligen Läufe mit Laufparter Toni, dem Familienhund.

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„Ich lau­fe immer noch min­des­tens 4 Mal in der Woche. Meist mit Nico­les Hund oder dem eines Freun­des in den Spree­ha­fen. Frü­her bin ich immer mit unse­rem Hund Toni gelau­fen. Der lieb­te das. Das Lau­fen soll auch so lan­ge wie mög­lich so blei­ben, dass bringt mir Ent­span­nung und Ruhe. Ich sag­te frü­her schon zu mei­ner Lauf­grup­pe in Har­burg, wenn wir übern den alten Fried­hof lie­fen „Guck mal da lie­gen die dicken Gast­wir­te, ein Glück, dass wir lau­fen. Der Vogel fliegt und der Fisch schwimmt.“ Und wenn wir mit 80 Jah­ren mit Rol­la­tor lau­fen! Das war auch immer ein Spruch den wir zur Not wahr machen wol­len. Heu­te Mor­gen konn­te ich lei­der nicht mei­ne Run­de dre­hen. Das passt nicht, wenn ich ein­kau­fen muss. Ich war um 5 Uhr schon hoch. Unter­wegs zum Blu­men- und Gemü­se­markt und zum Fleisch­markt. Don­ners­tag habe ich hier eine gro­ße Gesell­schaft zur Gol­de­nen Hoch­zeit. Da gibt es nur vom Feinsten.“

„Guck mal da lie­gen die dicken Gast­wir­te, ein Glück, dass wir lau­fen. Der Vogel fliegt und der Fisch schwimmt.“

In 80 Jah­ren rund um den Tre­sen. Ja, und dass lei­den­schaft­lich bis jetzt. Kein Ende in Sicht, weil das nun mal gelieb­ter Lebens­in­halt ist. Da stell ich mir und dann auch Wil­li zum Schluss die­ses super net­ten Gesprä­ches die Fra­ge, ob es denn irgend­et­was gibt, was er anders gemacht hätte…

„Nein! Ich wür­de alles wie­der machen. Ich habe so vie­le Men­schen ken­nen­ge­lernt. Soviel Posi­ti­ves erhal­ten. Und man kann ja steu­ern. Man muss ja nicht alles lau­fen las­sen. Ich mach das so wie ich es will. Das war immer mein Mot­to. Und wenn du Rent­ner wirst, nicht weißt was du tun sollst, kei­ne Auf­ga­be hast, dann reiß dich zusam­men und mach ein Lokal auf!

Das hier ist wie ein Pflegeheim!“