Ein Gespräch mit Hava Bekteshi
Gemeinsam verzaubern Hava und ihre Çifteli bei Konzerten das Publikum. Ich habe mit ihr über ihre Vision das albanische Zupfinstrument auch hier populär zu machen, gesprochen.
Die Çifteli ist ein albanisches Zupfinstrument mit zwei Saiten. Viele können das kaum glauben, denn beim Spiel klingt es als wären es viel mehr! Gerade wenn Hava gemeinsam mit anderen Musikern spielt, ist viel Experimentierfreude gefragt und sie liebt es aus den Regeln auszubrechen. Für „ihre Çifteli“ ist Hava Feuer und Flamme und diese Begeisterung steckt einfach an. Ihr Ziel ist es, das Instrument und damit ein Stückchen albanischer Kultur auch hier bekannt zu machen. Denn Hava ist überzeugt davon, dass Musik verbindet und keinen Hass und keine Vorurteile kennt und noch dazu Liebe und die pure Freude am Leben ist.
Obwohl die Çifteli eigentlich überwiegend von Männern gespielt wird, entschloss sich Hava schon als kleines Mädchen, sie zu erlernen. Als sie ihre Brüder spielen hörte, wurde ihre Neugier geweckt und dachte sich „Ich habe auch zwei Hände und einen Kopf, dann kann ich auch lernen Çifteli zu spielen!“.
Noch heute ist es unüblich, dass Frauen Çifteli spielen, doch die Reaktionen sind sehr positiv und vor allem Männer bringen Hava dafür viel Respekt entgegen.
Erste Schritte bei 48 Stunden Wilhelmsburg
Einen ihrer ersten öffentlichen Auftritte hatte Hava beim Musikfestival 48 Stunden Wilhelmsburg, bei dem ein Mal im Jahr Künstlerinnen und Künstler mit einem
Bezug zur Elbinsel in Cafés, Wohnungen, versteckten Innenhöfen oder mitten im Park Konzerte geben. Passenderweise bin auch ich über das Festival auf Hava aufmerksam geworden. An dem großartigen Stadtteil-Festival mag sie, dass sichtbar wird wie bunt und vielfältig Wilhelmsburg ist. Gleichzeitig wünscht sie sich aber, dass mehr ihrer Landsleute hingehen und die Chance zur Begegnung mit ihren Nachbarn nutzen. Und die Menschen auch im Alltag offen und mit Interesse aufeinander zugehen, statt nur nebeneinander her zu leben.
Das Festival 48 Stunden Wilhelmsburg findet dieses Jahr leider nicht wie gewohnt statt, trotzdem müssen wir aber nicht auf die vielfältige Musik aus dem Stadtteil verzichten: Denn in den kommenden Wochen wird es neben einem Podcast auch Video-Streams von Konzerten aus unterschiedlichen Orten in Wilhelmsburg, eine Playlist und zumindest virtuellen 48h-Spirit geben.
„Ich fühle mich in Wilhelmsburg einfach zu Hause!“
Hava ist in Wilhelmsburg groß geworden. Mit 14 Jahren zog die Albanerin aus ihrem Heimatland Mazedonien auf die Elbinsel. Obwohl sie mittlerweile in Bergedorf wohnt, fühlt sie sich hier immer noch Zuhause. An Wilhelmsburg liebt sie den bunten Mix an Menschen, dass es hier nie langweilig wird und natürlich den Inselpark. Und aus dem Schwärmen kommt sie gar nicht raus: „Total schön! Super toll! Sensationell!“. Doch bei aller Insel-Liebe findet sie es schade, dass viele Wilhelmsburger fast nur auf ihrer Insel leben und nur selten den Sprung aufs Festland schaffen, dabei gibt es auch dort so viel Kultur zu entdecken.
Bis sie festgestellt hat, dass es eigentlich nicht ihr Ding ist den ganzen Tag im Büro zu sitzen und sich mit Zahlen zu beschäftigen, hat die studierte Betriebswirtschaftlerin im Bereich Sales Controlling gearbeitet. Seit im Jahr 2014 viele Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind, lehrt sie mit Begeisterung Deutsch als Fremdsprache und hat dafür ein Zusatzstudium absolviert. Weiterhin ist sie auch als gefragte Dolmetscherin mit der Sprachkombination Albanisch-Deutsch im Einsatz.
Ein Auftritt in der Elbphilharmonie
Havas Auftritt in der Elbphilharmonie im Rahmen des Projekts Stadtlied war bis jetzt der Höhepunkt in ihrer musikalischen Karriere. Als sie die Zusage für das Projekt der Elbphilharmonie bekam, war sie mehr als überrascht und dachte: „Ich denke, ich träume – das kann doch nicht wahr sein!“. In zahlreichen Workshops trafen sich über 100 Künstlerinnen und Künstler aus verschiedensten Ländern, um sich mit dem eigenen Hamburg-Bild auseinanderzusetzen, Texte zu schreiben, Stücke zu komponieren und gemeinsam zu proben.
Auch Hava hat eigens für das Projekt ein Lied komponiert – mit einem emotionalen Text über sich als Migrantin, ihre Eltern, die Dankbarkeit für ihre neue Heimat und die Sehnsucht nach ihrer alten Heimat. An ihren gelungenen Auftritt im Großen Saal der Elbphilharmonie (den es in der Mediathek der Elbphilharmonie zu sehen gibt) denkt sie noch immer gerne zurück und kann kaum fassen, dass das alles wirklich geschehen ist. Hava erzählt stolz: „Ich bin gerührt, dass ich durch meine Präsenz eine Geschichte über die albanische Kultur und Volksmusik erzählen konnte. Denn bis zu meinem Auftritt mit meiner Çifteli gab es diese Art Präsentation der albanischen Kultur nicht.“
Mit Çifteli und Experimentierfreude durch verschiedene Genres
Ein anderes Projekt an das Hava gerne zurückdenkt, ist das Projekt Schmelz von Hanseplatte. Gemeinsam mit den drei Jungs von Love-Songs, saß sie im Studio und fragte sich zunächst etwas irritiert: Wie bringt man Elektro und albanische Volksmusik zusammen? Bei diesem Experiment sind die zwei Songs Bukuroshja e Lalës und Delay herausgekommen, die auf jeden Fall hörenswert sind!
Und die Liste ihrer künstlerischen Projekte ist noch lang: Sie wirkte bei der Theateraufführung NEW HAMBURG: Iphigenie vom Deutschen Schauspielhaus mit. Hava reiste auch als Botschafterin für Hamburg mit dem interkulturellen Projekt The Veddel Embassy, das ebenfalls in Kooperation mit dem Deutschen Schauspielhaus stattfand, nach Venedig.
Der Auftritt zusammen mit der französischen Band Intercommunal Orchestra war ein großer Erfolg. „Ich bin immer noch sehr happy darüber, wie das italienische Publikum die albanischen Lieder gefeiert hat. – Es wurde sehr viel getanzt!“, berichtet Hava. „Und auch in der Heimat, sei es Albanien, Kosovo oder Mazedonien habe ich an vielen Festivals und Wettbewerben teilgenommen.“, ergänzt sie stolz. Mit ihrer Çifteli hat Hava unter anderem die Filmmusik von Die Schwurjungfrau und das Mädchen bereichert und bietet musikalische Begleitung bei Veranstaltungen. Zu guter Letzt engagiert sie sich in interkulturellen Schulprojekten, denn sie findet, dass wir durch Musik lernen andere Menschen und Kulturen wertzuschätzen.
Wegen der Corona-Krise finden viele Projekte, die für 2020 geplant waren, nicht statt oder werden verschoben. Der energiegeladenen Hava fällt es schwer, isoliert zu bleiben und sie kann kaum erwarten, dass nach dieser ungewöhnlichen Zeit endlich alles weitergeht.