Einleitung mit Anleitung

GET THE KICK E.V.

und ein Haus mit vie­len Projekten

Schaut man von der Ved­de­ler Pro­me­na­de am Müg­gen­bur­ger Zoll­ha­fen auf die ande­re Sei­te des Was­sers, sieht man links von der Ball­in­stadt (genau dem IBA-Pon­ton gegen­über) ein futu­ris­tisch anmu­ten­des Gebäu­de. Es ist das „Haus der Pro­jek­te“, auch „Müg­ge“ genannt.

 

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Blick vor­bei am IBA-Dock zur Mügge

Bereits 2011 hat­ten wir (der „Freun­des­kreis Ved­de­ler Geschich­te und Geschich­ten“) das Gebäu­de im Roh­bau ent­deckt und uns mit dem „Macher„ die­ses Pro­jek­tes Herrn Jür­gen Hen­sen unter­hal­ten. Ich muss sagen, mir wur­de ganz schwin­de­lig, als er uns erläu­ter­te, wie vie­le Pro­jek­te für Jugend­li­che in die­sem Haus spä­ter ein­mal rea­li­siert wer­den soll­ten. Auf der einen Sei­te konn­te ich mir nicht vor­stel­len, dass er alle sei­ne Ideen in die Tat umset­zen wer­den kön­ne, auf der ande­ren Sei­te klang er aber so über­zeugt, dass Zwei­fel in sei­nen Vor­ha­ben kei­nen Platz hatten.

Nach zwi­schen­zeit­li­cher Fer­tig­stel­lung der „Müg­ge“ und Ein­zug Mit­te 2012, dach­te ich, jetzt muss ich noch­mal nach­fra­gen, ob denn die vie­len Plä­ne des Herrn Hen­sen in die Rea­li­tät umge­setzt wer­den konnten.

Und, haben sie? Ja, tat­säch­lich, wie er mir in einem Inter­view für die WIP-Zeit­schrift bestätigte:

 

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Links Herr Arne Gleis, rechts Jür­gen Hensen

WIP: Sie Herr Hen­sen sind 2. Vor­sit­zen­der und Geschäfts­füh­rer von „Get the Kick e. V.“, wie ich dem Inter­net ent­neh­men konnte.
Kön­nen Sie in kur­zen Wor­ten erklä­ren, wie es zu dem Namen kam und was sich dahin­ter verbirgt?

Hen­sen: Zum einen: den Namen „Get the Kick“ gaben wir unse­rem Ved­de­ler Ver­ein, der in der Ham­bur­ger Street­soc­cer Liga von 2002 – 2006 sehr erfolg­reich war. Anders als beim eta­blier­ten Fuß­ball spiel­ten hier nur 4 gegen 4 Per­so­nen. Auch Schieds­rich­ter gab es nicht. Älte­re Jugend­li­che wur­den zu „Streit­schlich­tern“ aus­ge­bil­det, die aber nur dann zum Ein­satz kamen, wenn bei­de Spie­ler-Par­tei­en sich nicht eini­gen konn­ten. Die­ses Sys­tem soll­te Eigen­ver­ant­wor­tung, Gemein­sinn und Kon­flikt­be­wäl­ti­gung fördern.

Zum ande­ren: Hin­ter „Get the Kick e.V.“ ver­birgt sich heu­te etwas ganz ande­res. Der Name ist jedoch geblie­ben, weil er in der Street­soc­cer-Zeit durch Preis­krö­nun­gen einen hohen Stellel­len­wert hat­te und einen hohen Bekannt­heits­grad besaß.

Zur Fra­ge „Was ver­birgt sich dahin­ter“? Nun, sicht­bar natür­lich das „Haus der Pro­jek­te“, auch „Müg­ge“ genannt, dass sich im Müg­gen­bur­ger Zoll­ha­fen befindet.

Des Wei­te­ren ver­ber­gen sich hin­ter „Get the Kick e.V.“ der „Elb­st­ro­mer“ und „Ved­de­lERle­ben“.

 

 

WIP: Kön­nen Sie einen kur­zen Abriss zu den ein­zel­nen Pro­jek­ten geben?

Hen­sen: Die Akti­on „Get the Kick“ in der Street­soc­cer-Zeit lief in mei­ner „Haus der

Jugend“-Zeit (HdJ). Da war ich als Heim­lei­ter tätig. Ich hat­te zu der Zeit schon den

Traum: Ich muss die Jugend auf der Ved­del an den Was­ser­sport rankriegen.

Mir war klar, als Heim­lei­ter des HdJ bekommt man das nicht hin. So haben wir 2004 den Ver­ein „Get the Kick e.V.“ gegrün­det. Damit hat­te ich die Mög­lich­keit, Gel­der zu akqui­rie­ren. Mei­ne Idee war: Ich brau­che einen eige­nen Pon­ton mit Boots­haus, um Kanu­sport und Segel­sport zu betreiben.

Wir haben dann eine finan­zi­el­le Zusa­gen bekom­men von der Auru­bis AG, damals noch Nord­deut­sche Affi­ne­rie, und dem größ­ten Ver­mie­ter auf der Ved­del, der SAGA GWG. Ja, und den Pon­ton haben wir dann bau­en las­sen von der Boots­werft Busch­mann am Rei­her­stieg. Das Boots­haus und das klei­ne Gebäu­de haben wir unter fach­kun­di­ger Anlei­tung und Prü­fung in Eigen­re­gie gebaut und es „Elb­st­ro­mer“ genannt. 2006 war die Einweihung.

 

WIP: Wel­che Akti­vi­tä­ten ver­ber­gen sich hin­ter dem Begriff „Elb­st­ro­mer“?

Hen­sen: Es fin­den Kanu‑, Pad­del- und Segel­kur­se statt für Jugend­li­che von der Ved­del und Wil­helms­bur­ger Schu­len in sog. Pro­jekt­wo­chen. Das läuft bunt gemischt ab zwi­schen Jun­gen und Mädchen.

 

WIP: Wie kam es zu der Idee, das „Haus der Pro­jek­te“ ins Leben zu rufen?

Hen­sen: Als mit dem „Elb­st­ro­mer“ alles in tro­cke­nen Tüchern war, habe ich immer auf die ande­re Sei­te auf das Gelän­de geguckt und hab mir gedacht, das kann nur der ers­te Schritt gewe­sen sein. Ich brau­che eigent­lich ein Haus, in dem man Boo­te bau­en und repa­rie­ren kann. Das war so der Ursprungsgedanke.

Als Heim­lei­ter des Hau­ses der Jugend ist es natür­lich völ­lig uto­pisch, so etwas anzu­ge­hen. Es pas­sier­ten damals zwei Din­ge gleichzeitig:

Es wur­de 1. die poli­ti­sche Ent­schei­dung getrof­fen: Die IBA kommt hier auf die Elb­in­sel. Und das 2.: ich habe ein Kon­zept geschrie­ben mit dem Titel „Haus der Pro­jek­te“ als Arbeits-Titel.

 

WIP: Wie sind Sie dar­auf gekommen?

Hen­sen: Ja, das war so mei­ne Idee: „Haus der Pro­jek­te“, mit dem Schwer­punkt Über­gangs-Manage­ment „Schu­le-Aus­bil­dung“.

Wir hat­ten damals vie­le Jugend­li­che gehabt, die nach der Schu­le erst ein­mal War­terun­den gedreht haben, da sie kei­nen Aus­bil­dungs­platz bekom­men hatten.

 

WIP: Was haben die statt­des­sen denn gemacht in der Zeit?

Hen­sen: Unsinn natür­lich! Man­che haben 2–3 Jah­re gebraucht, bis sie die Kur­ve gekriegt hat­ten und einen Aus­bil­dungs­platz gefun­den haben. Die sind teil­wei­se in Kli­cken-Form in ande­re Stadt­tei­le gezo­gen und haben dort straf­ba­re Hand­lun­gen ver­übt. Ich habe immer gesagt, man muss denen doch etwas Ver­nünf­ti­ges anbie­ten. Man muss ihnen eine Ori­en­tie­rung bie­ten, damit sie eine Ent­schei­dung tref­fen kön­nen: Wel­che Aus­bil­dung will ich denn ein­schla­gen? Es war inhalt­lich das Kon­zept „Haus der Pro­jek­te“: dass die Jugend­li­chen Pra­xis­an­tei­le erwer­ben kön­nen und wo sie sich über­le­gen kön­nen, wo soll es über­haupt hin­ge­hen für mein Berufsleben.

Der Bezirk war von der Idee so begeis­tert, so dass die­se Idee an der Aus­schrei­bung „Sozia­le Stadt“ der BSU (Behör­de für Stadt­ent­wick­lung und Umwelt) teil­ge­nom­men hat und den Zuschlag erhal­ten hat. Damit war die finan­zi­el­le Zuwen­dung gesi­chert von immer­hin 400.000 €.

 

WIP: Mit dem Betrag kann man doch das Haus wie es hier steht nicht bau­en, oder?

Hen­sen: Kon­zept die­ses Hau­ses war immer, dass wir uns einen Roh­bau hin­stel­len las­sen. Den Innen­aus­bau machen wir mit den Jugend­li­chen und Schü­ler-Prak­ti­kan­ten selbst. Aus die­sem Grund hat­ten wir den Bau des Pon­tons „Elb­st­ro­mer“ als Ver­suchs­bal­lon vor­weg in Angriff genom­men, um für den Aus­bau die­se Hau­ses Erfah­rung zu sammeln.

 

WIP: Und wie sind Sie an die IBA geraten?

Hen­sen: Als die IBA Ham­burg GmbH mit dem Geschäfts­füh­rer Hell­wig instal­liert war, habe ich mir einen Ter­min bei Herrn Hell­wig geben las­sen. Nun, ich wuss­te, dass Herr Hell­wig begeis­ter­ter Dick­schiff-Seg­ler ist. Und im Haus der Pro­jek­te soll­te ja schließ­lich Schif­fe gebaut wer­den. Dadurch wur­de es nur ein 5‑Mi­nu­ten-Gespräch und ich war mit „Haus der Pro­jek­te“ IBA-Part­ner gewor­den. (Jür­gen Hen­sen lacht herzlich!)

 

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Schiffs­re­pa­ra­tur und Schiff-Neubau

(Noch mal bei Mathi­as angefragt)

Es wur­de ja par­al­lel zur IBA die „Bil­dungs­of­fen­si­ve Elb­in­sel“ instal­liert und ich bin dann sofort in die Arbeits-Kern­grup­pe Ved­del gelangt, wo das „Haus der Pro­jek­te“ inhalt­li­cher Bau­stein gewor­den ist, mit dem Schwer­punkt Über­gangs-Manage­ment; „Über­gän­ge: Schu­le / Aus­bil­dung“. Und dann, als ich IBA-Part­ner gewor­den bin (also der Ver­ein „Get the Kick e.V.“, mit dem IBA-Part­ner im Rücken), wur­de ich schlag­ar­tig ernst genommen.

 

WIP: Nun zum Pro­jekt „Ved­de­lERle­ben“. Was ver­birgt sich dahinter?

Hen­sen: „Ved­del Erle­ben“ war eigent­lich eine Kul­tur-Initia­ti­ve hier auf der Ved­del, die wir als HdJ (Haus der Jugend) und Get the Kick e.V. betrie­ben haben. Es gab von 2004- bis ca. 2011 sog. Mikro-Pro­jek­te. Das nann­te sich „Stär­ken vor Ort“ bzw. „Loka­les Kapi­tal für sozia­le Zwe­cke“. Und wir haben hier unter dem Label „Ved­de­lERle­ben“ Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen gemacht. Wir haben z.B. eine Band enga­giert, die auf dem Dach der Schu­le gespielt hat. Das war natür­lich sehr wit­zig, denn wir haben von da oben den gan­zen Stadt­teil beschallt. Außer­dem haben wir kul­tu­rel­len Aktio­nen wie Thea­ter und Kaba­rett in der Sport­hal­le Ved­del gemacht.

Die­se wur­de von „Pro Quar­tier“ betrie­ben. Irgend­wann mal kam „Pro Quar­tier“ zu mir und sag­te: Das ist eigent­lich nicht unse­re Auf­ga­be, so eine Sport­hal­le zu betrei­ben. Wir suchen daher „Betrei­ber“. Wor­auf­hin ich mein­te: ja, der muss aber hier aus dem Stadt­teil kom­men und darf nicht fremd ein­ge­kauft wer­den. Das muss hier im Stadt­teil ver­an­kert sein. Dann habe ich mich an die Schu­le auf der Ved­del gewandt und gesagt: Lasst uns doch für bestimm­te Jahr­gän­ge eine „Schü­ler-Fir­ma“ grün­den, die die­se Sport­hal­le betreibt.

 

WIP: Wie­so läuft „Ved­de­lERle­ben“ eigent­lich unter dem Begriff „Schü­ler­fir­ma der Stadt­teil­schu­le Wilhelmsburg?

Hen­sen: Da die Ved­de­ler Schul­lei­tung ihren Schü­lern die­se Auf­ga­be nicht zutrau­te, habe ich mich an eine Wil­helms­bur­ger Schu­le gewandt. Und der Schul­lei­ter war sofort begeis­tert. 2010 habe ich mit der Stadt­teil­schu­le Wil­helms­burg die Schü­ler-Fir­ma „Ved­del ERle­ben“ gegrün­det. Das wur­de ein Erfolgs­pro­jekt. Inzwi­schen sind wir im 6. Jahr. Wir haben 7 Prei­se gewon­nen. Es sind schon über 100 Schü­ler durch die­se Fir­ma gelau­fen. Jeder betei­lig­te Schü­ler ist für 3 Jah­re in die­sem Projekt.

 

WIP: Wel­che Schü­ler machen da mit?

Hen­sen: Es sind die 8. und die 9. Jahr­gän­ge von Ved­de­ler und Wil­helms­bur­ger Schu­len. Alle 2 Jah­re kommt ein neu­er Jahr­gang dazu. Das ist ein Pro­fil, was die Schü­ler frei­wil­lig wäh­len. Die Schü­ler tei­len selbst die Auf­ga­ben an lau­fen­den Arbei­ten in unter­schied­li­che Abtei­lun­gen auf, wie z.B. Buch­hal­tung, Kal­ku­la­ti­on, Event-Abtei­lung, Geschäfts­füh­rung usw.

 

WIP: Und was gibt es noch in der „Müg­ge“??

Hen­sen: Musi­ka­li­sche För­de­rung fin­det u.a. in unse­rem Hau­se statt. In unse­rem Musik­raum wer­den unter Anlei­tung unse­res Musik­do­zen­ten Tho­mas Him­mel eige­ne Musik­stü­cke kre­iert, ein­stu­diert, auf­ge­nom­men und pro­du­ziert, u.a. mit Schü­lern der Schu­le Slo­m­an­stieg, mit Kin­dern der Ved­de­ler Kitas und mit Kin­dern von der ZEA (Zen­tra­le Erst­auf­nah­me) Schnackenburgallee.

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Früh übt sich, wer ein Mis­ter wer­den will!

(Noch mal bei Mathi­as angefragt)

In der soge­nann­ten Mucki-Bude kön­nen Gestress­te sich abre­agie­ren und in unse­rem Mul­ti­funk­tio­nal­raum fin­det Nach­hil­fe-Unter­richt für den Haupt­schul­ab­schluss für Wil­helms­bur­ger Schü­ler statt. Dann kann in die­sem Raum natür­lich kein Tisch­ten­nis, Bil­lard oder Tisch­ki­cker gespielt werden.

In einer fort­lau­fen­den Akti­on „Ler­nen am Was­ser“ kom­men für 3 Jah­re Wil­helm­bur­ger Schü­ler des 8., 9. Und 10. Jahr­gan­ges hier her, die an unter­schied­li­chen Modu­len unter­rich­tet werden.

Unter dem Titel „Bau­en am Was­ser“ wur­de Holz­ver­ar­bei­tung und Tro­cken­bau gelehrt. Und natür­lich müs­sen die Jugend­li­chen, die hier den gan­zen Tag tätig sind, auch ver­pflegt wer­den. Also wird den Jugend­li­chen auch das Kochen mit allen not­wen­di­gen Neben­tä­tig­kei­ten beigebracht.

Die Schü­ler­fir­ma „Müg­ge Holz­bau“ wur­de letz­tes Jahr gegrün­det. Dort wer­den Holz­mö­bel gefer­tigt und ver­trie­ben. Durch einen Auf­trag vom NABU wer­den gera­de 85 unter­schied­li­che Brut­käs­te für unter­schied­li­che Vogel­ar­ten und Fle­der­mäu­se produziert.

Schü­ler­fir­ma Müg­ge Holz­bau Ver­schie­de­ne Vogel­haus­mo­del­le und   Outdoormöbel ?

Wir bekom­men dem­nächst einen Gabel­stap­ler. Die Jugend­li­chen wer­den dann Gabel­stap­ler-Fah­ren ler­nen. Wir wer­den Logis­tik-Übun­gen mit ihnen machen.

Vie­le Schü­ler wis­sen doch gar nicht, das in dem Bereich abso­lu­te Nach­wuchs­sor­gen herr­schen und dass es dort ganz inter­es­san­te Aus­bil­dungs­be­ru­fe gibt.

 

WIP: Sagen Sie Herr Hen­sen, Ideen zu neu­en Pro­jek­ten gehen Ihnen wohl nicht aus, oder?

Hen­sen: Eigent­lich nicht !

 

WIP: Nun erst mal mei­ne letz­te Fra­ge – Wie vie­le schlaf­lo­se Näch­te hat­ten Sie im Zuge der Rea­li­sie­rung Ihrer gan­zen Pro­jek­te? (Noch mal bei Mathi­as angefragt)

Hen­sen: Um es kurz zu machen: es hat mich vie­le schlaf­lo­se Näch­te gekos­tet; denn es ging ja um viel Geld und es fehl­te eigent­lich immer Geld. Aber ich habe es immer geschafft, dass ich Fir­men und Stif­tun­gen gefun­den habe, die dann die­se finan­zi­el­len Löcher stop­fen konnten.

 

WIP: Vie­len Dank Herr Hen­sen für das inter­es­san­te Gespräch. Mögen Ihnen nie Gesund­heit, Vita­li­tät und Ein­falls­reich­tum ausgehen.