Erste multikulturelle Pflegeinrichtung
als bundesweites Modellprojekt
„Hier will ich nie wieder weg!“ – Erika Warnke, 84, hochzufriedene Inhaberin einer betreuten Wohnung bei „multi-kulti“ ist sich ganz sicher und vertraut mir an: “Leyla nennt mich ihre große Schwester!“ Leyla Yagbasan gründete schon 1998 den multi-kulti-Pflegedienst in Wilhelmsburg und gewann 2009 zusammen mit der Investorengemeinschaft Veringeck GbR das von der IBA ausgelobte Gutachterverfahren um das begehrte städtische Grundstück „Veringeck“ gegen zahlreiche Mitbewerber.
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Ihr Konzept für eine multikulturelle Tagespflege (14 Plätze), ein multikulturelles Service-Wohnen (18 Wohnungen) sowie eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke aus dem türkischen Sprachraum (10 Plätze), kombiniert mit einem der Öffentlichkeit zugänglichen Hamam stellt laut IBA ein bundesweites Modellprojekt dar. Die IBA ist mit dem Projektverlauf und der Umsetzung sehr zufrieden, so Silke Schumacher, die für das Projekt zuständig war.
Nach Auffassung von Leyla Yagbasan steht es sogar in ganz Europa einzigartig da. Weitgehende Selbstbestimmtheit des Lebens in der Einrichtung wird groß geschrieben.
Als eine der ersten in Deutschland ausgebildeten türkischstämmigen Krankenschwestern weist sie darauf hin, dass das deutsche Gesundheitssystem seinerzeit auf migrantische Demenzkranke noch nicht eingestellt war. Das habe sich erfreulicherweise geändert. Ihr Wilhelmsburger Unternehmen beschäftigt inzwischen über 40 Mitarbeiter und blickt auf dreieinhalb Jahre erfolgreicher Tätigkeit zurück. Die Einrichtung am Veringweg ist durchgehend voll belegt.
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Auch türkischstämmige Senioren wollen heute die „Halbdistanz“ zu den Familien der nächsten Generation, die mit Kindern, Berufstätigkeit – inzwischen auch vieler Frauen – und Betreuung von Oma und Opa überfordert sind. Die türkischen Frauen sind ihrer Meinung nach dabei, sich in eine neue Rolle zu finden, sowohl in der Türkei als auch hier in Deutschland. Die Zeiten, da die türkischen Frauen drei Meter hinter ihren Männern hergingen, seien eindeutig vorbei. Das Selbstbewusstsein nehme sowohl bei den jüngeren als auch bei den älteren Frauen zu.
Übrigens ist das „multi-kulti“ auch bei spanischen, portugiesischen und italienischen Familien beliebt.
Es wird Senioren-Sport betrieben und gelustwandelt im Duftgarten zwischen Hochbeeten, Bachlauf und Insektenhäusern. Ausflüge werden unternommen und und es wird zusammen gefeiert. Erika Warnke schwärmt: “Wir sprechen uns nur mit Vornamen an. So können wir auch die Demenzkranken in unsere Aktivitäten einbeziehen.“
Leyla Yagbasan informiert mich: Die „Zugehörigen“ der Demenzkranken – Angehörige und gesetzliche Vertreter – treffen sich einmal im Monat, werden bei Fragen der Belegung und des Betriebs der WG beteiligt und treffen in diesem Rahmen demokratische Entscheidungen, an die sich die Geschäftsleitung gebunden fühlt.
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Erika Warnke backt gern Kuchen für die Tagespflegegäste, von denen sie liebevoll „unser Schutzengel“ genannt wird. Für sie ist wichtig, dass man in dieser Einrichtung nicht allein ist, sondern untereinander kommuniziert – auch nicht-sprachlich beim Sport – und von motiviertem Personal exzellent betreut wird. Gern geht man auch mal zusammen im gegenüberliegenden italienischen Restaurant Don Matteo essen. Es locken leichte Salate und Tiramisu. Der kürzliche Tod einer italienischen Mitbewohnerin löste auch dort Trauer aus.
Das Gesamtprojekt wird arrondiert durch das Hamam. Dessen Kunden sind vor allem Frauen, die sich die durchaus anspruchsvollen Anwendungen leisten können, so dass besonders Kundinnen von außerhalb angezogen werden. Auch das Hamam läuft seit dreieinhalb Jahren erfolgreich. Es ist konzeptionell hervorgegangen aus den römischen Thermen und später den osmanischen Bädern, in denen sich in erster Linie Männer vom täglichen oder wöchentlichen Arbeitsschweiß befreiten. Heute sind es die deutschen Urlauber maghrebinischer Länder, die nach ihrer Rückkehr auf diese Wohltat nicht verzichten wollen. Für die IBA war wichtig, dass das „Veringeck“ auch eine öffentlich zugängliche Einrichtung im Erdgeschoss erhält. Auch bei den Mitarbeitern des „multi-kulti“ ist das Hamam beliebt. Eine olivenölbasierte Massage ist ihnen nach der anstrengenden Pflegearbeit sicherlich zu gönnen.
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