Frauenpower von der Elbinsel!

 

 

Ein Gespräch mit Hava Bekteshi

Gemein­sam ver­zau­bern Hava und ihre Çift­eli bei Kon­zer­ten das Publi­kum. Ich habe mit ihr über ihre Visi­on das alba­ni­sche Zupf­in­stru­ment auch hier popu­lär zu machen, gesprochen.

Foto­shoo­ting für 48 Stun­den Wil­helms­burg – Foto: Christian-Bartsch

Die Çift­eli ist ein alba­ni­sches Zupf­in­stru­ment mit zwei Sai­ten. Vie­le kön­nen das kaum glau­ben, denn beim Spiel klingt es als wären es viel mehr! Gera­de wenn Hava gemein­sam mit ande­ren Musi­kern spielt, ist viel Expe­ri­men­tier­freu­de gefragt und sie liebt es aus den Regeln aus­zu­bre­chen. Für „ihre Çift­eli“ ist Hava Feu­er und Flam­me und die­se Begeis­te­rung steckt ein­fach an. Ihr Ziel ist es, das Instru­ment und damit ein Stück­chen alba­ni­scher Kul­tur auch hier bekannt zu machen. Denn Hava ist über­zeugt davon, dass Musik ver­bin­det und kei­nen Hass und kei­ne Vor­ur­tei­le kennt und noch dazu Lie­be und die pure Freu­de am Leben ist.

Obwohl die Çift­eli eigent­lich über­wie­gend von Män­nern gespielt wird, ent­schloss sich Hava schon als klei­nes Mäd­chen, sie zu erler­nen. Als sie ihre Brü­der spie­len hör­te, wur­de ihre Neu­gier geweckt und dach­te sich „Ich habe auch zwei Hän­de und einen Kopf, dann kann ich auch ler­nen Çift­eli zu spielen!“.

Noch heu­te ist es unüb­lich, dass Frau­en Çift­eli spie­len, doch die Reak­tio­nen sind sehr posi­tiv und vor allem Män­ner brin­gen Hava dafür viel Respekt entgegen.

Erste Schritte bei 48 Stunden Wilhelmsburg

Zu Gast im türkischen Bursa

Einen ihrer ers­ten öffent­li­chen Auf­trit­te hat­te Hava beim Musik­fes­ti­val 48 Stun­den Wil­helms­burg, bei dem ein Mal im Jahr Künst­le­rin­nen und Künst­ler mit einem

Bezug zur Elb­in­sel in Cafés, Woh­nun­gen, ver­steck­ten Innen­hö­fen oder mit­ten im Park Kon­zer­te geben. Pas­sen­der­wei­se bin auch ich über das Fes­ti­val auf Hava auf­merk­sam gewor­den. An dem groß­ar­ti­gen Stadt­teil-Fes­ti­val mag sie, dass sicht­bar wird wie bunt und viel­fäl­tig Wil­helms­burg ist. Gleich­zei­tig wünscht sie sich aber, dass mehr ihrer Lands­leu­te hin­ge­hen und die Chan­ce zur Begeg­nung mit ihren Nach­barn nut­zen. Und die Men­schen auch im All­tag offen und mit Inter­es­se auf­ein­an­der zuge­hen, statt nur neben­ein­an­der her zu leben.

Das Fes­ti­val 48 Stun­den Wil­helms­burg fin­det die­ses Jahr lei­der nicht wie gewohnt statt, trotz­dem müs­sen wir aber nicht auf die viel­fäl­ti­ge Musik aus dem Stadt­teil ver­zich­ten: Denn in den kom­men­den Wochen wird es neben einem Pod­cast auch Video-Streams von Kon­zer­ten aus unter­schied­li­chen Orten in Wil­helms­burg, eine Play­list und zumin­dest vir­tu­el­len 48h-Spi­rit geben.

 „Ich fühle mich in Wilhelmsburg einfach zu Hause!“

Hava ist in Wil­helms­burg groß gewor­den. Mit 14 Jah­ren zog die Alba­ne­rin aus ihrem Hei­mat­land Maze­do­ni­en auf die Elb­in­sel. Obwohl sie mitt­ler­wei­le in Ber­ge­dorf wohnt, fühlt sie sich hier immer noch Zuhau­se. An Wil­helms­burg liebt sie den bun­ten Mix an Men­schen, dass es hier nie lang­wei­lig wird und natür­lich den Insel­park. Und aus dem Schwär­men kommt sie gar nicht raus: „Total schön! Super toll! Sen­sa­tio­nell!“. Doch bei aller Insel-Lie­be fin­det sie es scha­de, dass vie­le Wil­helms­bur­ger fast nur auf ihrer Insel leben und nur sel­ten den Sprung aufs Fest­land schaf­fen, dabei gibt es auch dort so viel Kul­tur zu entdecken.

Bis sie fest­ge­stellt hat, dass es eigent­lich nicht ihr Ding ist den gan­zen Tag im Büro zu sit­zen und sich mit Zah­len zu beschäf­ti­gen, hat die stu­dier­te Betriebs­wirt­schaft­le­rin im Bereich Sales Con­trol­ling gear­bei­tet. Seit im Jahr 2014 vie­le Geflüch­te­te nach Deutsch­land gekom­men sind, lehrt sie mit Begeis­te­rung Deutsch als Fremd­spra­che und hat dafür ein Zusatz­stu­di­um absol­viert. Wei­ter­hin ist sie auch als gefrag­te Dol­met­sche­rin mit der Sprach­kom­bi­na­ti­on Alba­nisch-Deutsch im Einsatz.

Ein Auftritt in der Elbphilharmonie

Kurz vorm gro­ßen Auf­tritt in der Elb­phlihar­mo­nie – Foto: Claudia-Höhne

Havas Auf­tritt in der Elb­phil­har­mo­nie im Rah­men des Pro­jekts Stadt­lied war bis jetzt der Höhe­punkt in ihrer musi­ka­li­schen Kar­rie­re. Als sie die Zusa­ge für das Pro­jekt der Elb­phil­har­mo­nie bekam, war sie mehr als über­rascht und dach­te: „Ich den­ke, ich träu­me – das kann doch nicht wahr sein!“. In zahl­rei­chen Work­shops tra­fen sich über 100 Künst­le­rin­nen und Künst­ler aus ver­schie­dens­ten Län­dern, um sich mit dem eige­nen Ham­burg-Bild aus­ein­an­der­zu­set­zen, Tex­te zu schrei­ben, Stü­cke zu kom­po­nie­ren und gemein­sam zu proben.

Auch Hava hat eigens für das Pro­jekt ein Lied kom­po­niert – mit einem emo­tio­na­len Text über sich als Migran­tin, ihre Eltern, die Dank­bar­keit für ihre neue Hei­mat und die Sehn­sucht nach ihrer alten Hei­mat. An ihren gelun­ge­nen Auf­tritt im Gro­ßen Saal der Elb­phil­har­mo­nie (den es in der Media­thek der Elb­phil­har­mo­nie zu sehen gibt) denkt sie noch immer ger­ne zurück und kann kaum fas­sen, dass das alles wirk­lich gesche­hen ist. Hava erzählt stolz: „Ich bin gerührt, dass ich durch mei­ne Prä­senz eine Geschich­te über die alba­ni­sche Kul­tur und Volks­mu­sik erzäh­len konn­te. Denn bis zu mei­nem Auf­tritt mit mei­ner Çift­eli gab es die­se Art Prä­sen­ta­ti­on der alba­ni­schen Kul­tur nicht.“

Mit Çifteli und Experimentierfreude durch verschiedene Genres

Ein ande­res Pro­jekt an das Hava ger­ne zurück­denkt, ist das Pro­jekt Schmelz von Han­se­plat­te. Gemein­sam mit den drei Jungs von Love-Songs, saß sie im Stu­dio und frag­te sich zunächst etwas irri­tiert: Wie bringt man Elek­tro und alba­ni­sche Volks­mu­sik zusam­men? Bei die­sem Expe­ri­ment sind die zwei Songs Bukuro­sh­ja e Lalës und Delay her­aus­ge­kom­men, die auf jeden Fall hörens­wert sind!

Inter­view mit RTL Nord über ihre Teil­nah­me beim Kon­zert Stadtlied

Und die Lis­te ihrer künst­le­ri­schen Pro­jek­te ist noch lang: Sie wirk­te bei der Thea­ter­auf­füh­rung NEW HAMBURG: Iphi­ge­nie vom Deut­schen Schau­spiel­haus mit. Hava reis­te auch als Bot­schaf­te­rin für Ham­burg mit dem inter­kul­tu­rel­len Pro­jekt The Ved­del Embas­sy, das eben­falls in Koope­ra­ti­on mit dem Deut­schen Schau­spiel­haus statt­fand, nach Venedig.

Der Auf­tritt zusam­men mit der fran­zö­si­schen Band Inter­com­mu­nal Orches­tra war ein gro­ßer Erfolg. „Ich bin immer noch sehr hap­py dar­über, wie das ita­lie­ni­sche Publi­kum die alba­ni­schen Lie­der gefei­ert hat. – Es wur­de sehr viel getanzt!“, berich­tet Hava. „Und auch in der Hei­mat, sei es Alba­ni­en, Koso­vo oder Maze­do­ni­en habe ich an vie­len Fes­ti­vals und Wett­be­wer­ben teil­ge­nom­men.“, ergänzt sie stolz. Mit ihrer Çift­eli hat Hava unter ande­rem die Film­mu­sik von Die Schwur­jung­frau und das Mäd­chen berei­chert und bie­tet musi­ka­li­sche Beglei­tung bei Ver­an­stal­tun­gen. Zu guter Letzt enga­giert sie sich in inter­kul­tu­rel­len Schul­pro­jek­ten, denn sie fin­det, dass wir durch Musik ler­nen ande­re Men­schen und Kul­tu­ren wertzuschätzen.

Wegen der Coro­na-Kri­se fin­den vie­le Pro­jek­te, die für 2020 geplant waren, nicht statt oder wer­den ver­scho­ben. Der ener­gie­ge­la­de­nen Hava fällt es schwer, iso­liert zu blei­ben und sie kann kaum erwar­ten, dass nach die­ser unge­wöhn­li­chen Zeit end­lich alles weitergeht.