Happy Birthday HoFa

Wilhelmsburgs Kulturfabrik wird 40!

40 Jah­re Honig­fa­brik – zu die­sem Anlass stieg im Sep­tem­ber eine mäch­ti­ge Geburts­tags­fe­te in dem Kul­tur­zen­trum am Vering­ka­nal. Aus­stel­lun­gen, Lesun­gen, Work­shops, Kon­zer­te und noch mehr wur­den den zahl­rei­chen Besucher*innen gebo­ten. Vie­le beschäf­tig­te sicher­lich auch die Fra­ge: „Was ging hier eigent­lich die letz­ten Jahr­zehn­te so alles ab?“ Um die­se Fra­ge zu klä­ren, habe ich zusam­men mit Mag­gi Mar­kert von der Geschichts­werk­statt kräf­tig in der His­to­rie des Kul­tur­ver­eins gewühlt, um auch die WIP Leser*innen auf eine span­nen­de Rei­se durch die Geschich­te der Honig­fa­brik mit­neh­men zu kön­nen.

1906 als Mar­ga­ri­ne­fa­brik ent­wor­fen, hat­te die HoFa – wie die Wilhelmsburger*innen ihre Kul­tur­fa­brik lie­be­voll nen­nen – schon damals ihre sie kenn­zeich­nen­den Attri­bu­te vor­zu­wei­sen. Das Haupt­haus und die süd­lich lie­gen­de Werk­statt mit Schorn­stein stan­den anfangs noch recht allein am 1894 gegra­be­nen Vering­ka­nal. Ein zwei­ter Flü­gel wur­de 1912 gebaut, im sel­ben Jahr ent­stan­den auch die am Kanal gele­ge­nen gro­ßen Werk­hal­len.

Die Mar­ga­ri­ne­fa­brik „Spei­se­fet­t­in­dus­trie Elbe“ befand sich in guter Gesell­schaft, denn die Nach­bar­schaft ent­wi­ckel­te sich rasch zum Indus­trie­ge­biet. Die Sani­tas AG stell­te auf dem Gelän­de des Parks, der heu­te ihren Namen trägt, Toi­let­ten­be­cken her. Auch die Wil­helms­bur­ger Zinn­wer­ke, die heu­te eben­falls fest im Kul­tur­be­trieb der Elb­in­seln ver­an­kert sind, wur­den zu Beginn des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts erbaut.

Nach Kriegs­en­de wech­sel­te der Besit­zer des Gebäu­des und die Fir­ma Gie­se­ke stell­te dort Honig her, wes­halb sich alle Wil­helms­bur­ger Bie­nen gern in der Indus­trie­stra­ße tum­mel­ten und was dem heu­ti­gen Kul­tur­zen­trum sei­nen schö­nen Namen ein­brach­te. 1977 zog die Fir­ma nach Bre­men und die Honig­fa­brik stand leer – bes­te Vor­aus­set­zun­gen also, um ein tol­ler Kul­tur­ort zu wer­den.

Zeit­gleich sind auch 13 Initia­ti­ven von den Elb­in­seln auf der Suche nach einem Haus und schlie­ßen sich zur Arbeits­ge­mein­schaft Wil­helms­bur­ger Jugend- und Initia­tiv­grup­pen zusam­men.

Ein Jahr spä­ter hat der Zusam­men­schluss alle Indus­trie­bra­chen der Elb­in­seln begut­ach­tet und sich in die Honig­fa­brik ver­liebt. Der Ver­ein „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­zen­trum Wil­helms­burg e.V.“ wird gegrün­det, mit allen büro­kra­ti­schen Fines­sen, die das deut­sche Ver­eins­we­sen so in pet­to hat: Vor­stands­wahl, Mit­glie­der­ver­samm­lung, Ver­eins­sit­zung. Es geht in die Pla­nungs­pha­se, in der der Ver­ein mit einer Anschub­fi­nan­zie­rung aus der Kul­tur­be­hör­de unter­stützt wird. 

1980: Die Honig­fa­brik orga­ni­siert sich in ihren ers­ten Jah­ren nach dem Prin­zip der Selbst­ver­wal­tung. Jede*r kann in die Ent­schei­dungs- pro­zes­se rund um das Kul­tur­zen­trum mit ein­be­zo­gen wer­den. Sei es bei der Pro­gramm­ge­stal­tung oder auch in Grund­satz­fra­gen. Dies erfor­dert eine Men­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on! Im Ple­num haben sich die Honigfabrikant*innen regel­mä­ßig getrof­fen, dis­ku­tiert und ausgetauscht 

Im Sep­tem­ber 1979 – vor 40 Jah­ren – eröff­net die Honig­fa­brik mit regel­mä­ßi­gem Monats­pro­gramm vor­läu­fig. Schon in die­ser frü­hen Pha­se des Ver­eins war das erklär­te Ziel, ein Haus für alle Genera­tio­nen sein zu wol­len. Mit Kino, Kaba­rett, Musik und natür­lich einer Knei­pe. Ein Jahr spä­ter, kommt es zum Abschluss eines Vor­ver­tra­ges mit dem Besit­zer der Honig­fa­brik und der Stadt Ham­burg, was den Grund für ein ers­tes gro­ßes Fest in der zwar noch bau­fäl­li­gen aber schon sehr gut besuch­ten Honig­fa­brik lie­fert.

Die nächs­ten zwei Jah­re hat der Ver­ein eine Men­ge mit der Instand­set­zung des alten Gebäu­des zu tun, fin­det aber noch die Zeit, ein Segel­schiff anzu­schaf­fen und den Grund­stein für die Boots­werk­statt zu legen, die auch heu­te noch auf dem Gelän­de besteht. 

1982 ist der Aus­bau der Honig­fa­brik beschlos­se­ne Sache! Die Stadt kauft das Gebäu­de und baut es nach den Bedürf­nis­sen des Ver­eins um, der auch selbst tat­kräf­tig mit Hand anlegt und im nächs­ten Jahr dafür belohnt wird. Im Janu­ar kann end­gül­tig Eröff­nung gefei­ert wer­den.

Schon damals lag ein Haupt­au­gen­merk des Ver­eins in der Jugend­bil­dung. Zu Beginn der 80er Jah­re war die Freie Schu­le Ham­burg noch in der Honig­fa­brik behei­ma­tet. Heu­te fin­det man sie in den Zinn­wer­ken, wo sie Schüler*innen för­dern möch­te, die in den her­kömm­li­chen Schul­for­men stark anecken und nur schwer einen Abschluss erlan­gen kön­nen. Die Freie Schu­le bie­tet ihnen ein weit gefä­cher­tes Ange­bot, dass ihren Lern­we­gen ent­spricht und sie dar­in stärkt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. 

1985 ent­steht in der Honig­fa­brik mit die­sem Grund­ge­dan­ken auch die Idee für ein Werk­statt-Pro­jekt, dass Jugend­li­chen Arbeits­lo­sen aus Wil­helms­burg die Mög­lich­keit geben soll, sich in Holz- oder Metall­ar­bei­ten zu qua­li­fi­zie­ren. Als das Pro­jekt zwei Jah­re spä­ter end­lich star­ten kann, kommt es zu einem her­ben Rück­schlag. Das Dach brennt ab und der Ver­ein muss vor­erst aus Not­un­ter­künf­ten her­aus arbei­ten, meis­tert aber auch die­se Hür­de. 1989, 10 Jah­re nach der ers­ten Über­nah­me der Räu­me, kommt nach der Feu­ers­brunst end­lich wie­der Leben ins Haus und die HoFa kann Wie­der­eröff­nung feiern.

In der Holz­werk­statt der Honig­fa­brik gab es 1993 sogar Aus­zu­bil­den­de, die am Ende ihrer Lehr­zeit einen Gesel­lin­nen­brief erhiel­ten und dank der Arbeit der HoFa eine beruf­li­che Per­spek­ti­ve hat­ten. Die­ses Pro­jekt ist bedau­er­li­cher­wei­se einer Kür­zung der Mit­tel durch die Poli­tik zum Opfer gefallen. 

Die 90er Jah­re begin­nen mit erfreu­li­che­ren Ereig­nis­sen, als nach zähen Ver­hand­lun­gen der Miet­ver­trag zwi­schen dem Ver­ein „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­zen­trum Wil­helms­burg“ und der Stadt Ham­burg unter­schrie­ben und die dau­er­haf­te Nut­zung der Honig­fa­brik als Kul­tur- und Stadt­teil­zen­trum fest­ge­schrie­ben wird. 1993 hat dann die ers­te Aus­bil­dungs­grup­pe der Holz­ar­bei­ten ihre Gesel­lin­nen­brie­fe in der Tasche. Die in die­ser Zeit ent­stan­den Werk­stät­ten bil­den heu­te lei­der nicht mehr aus, denn die Bun­des­an­stalt für Arbeit, die die­se ABM-Pro­jek­te för­der­te, änder­te ihre Schwer­punk­te hin zum Dienst­leis­tungs­be­reich und gewerb­lich-tech­ni­sche Qua­li­fi­zie­rung war nicht mehr gefragt. Die Werk­stät­ten sind aber noch immer auf dem Gelän­de der Honig­fa­brik zu fin­den, bie­ten allen Wilhelmsburger*innen die Mög­lich­keit zur Selbst­hil­fe, zu krea­ti­vem Schaf­fen und wer­den häu­fig in Koope­ra­ti­on mit Schu­len genutzt. 

Die Honig­fa­brik ist ein Ort für alle. Neben der Kin­der Kul­tur wur­den auch span­nen­de Kon­zep­te für Senior*innen aus­ge­ar­bei­tet. Die­se drei rüs­ti­gen Rent­ne­rin­nen befin­den sich auf einer Boots­fahrt rund um ihre Hei­mat Wil­helms­burg in den Neunzigerjahren. 

Auch die Kul­tur­ar­beit wird in den 90ern wei­ter aus­ge­baut, die Senio­ren­grup­pe „Mit­ein­an­der – Für­ein­an­der“ orga­ni­siert Rei­sen und Vor­le­se­ak­tio­nen an Schu­len und immer neue Ver­an­stal­tungs­for­ma­te wer­den aus­ge­ar­bei­tet. Von der klei­nen Nacht der Clubs, über Soul und Cock­tail­aben­de bis hin zum Kin­der­mu­si­cal zeigt die Honig­fa­brik sich wei­ter­hin viel­fäl­tig. Immer bemüht, von jung bis alt, allen Genera­tio­nen ein pas­sen­des Pro­gramm zu bieten. 
Das neue Jahr­tau­send bringt einen neu­en Senat und somit 25% weni­ger Geld für die Geschichts­werk­statt mit sich – eine Kampf­an­sa­ge an die Stadt­teil­kul­tur-För­de­rung, die die Honig­fa­brik nicht ohne Gegen­wehr hin­nimmt. Bei dem Besuch des Finanz­se­na­tors, erklärt sie selbst­be­wusst ihre Umbau- und Erwei­te­rungs­wün­sche. Die HoFa gewinnt wei­ter Prei­se für ihre Kul­tur­ar­beit und geht Mit­te der 00er Jah­re enge Koope­ra­tio­nen mit den Schu­len der Elb­in­seln ein. In der Som­mer­aka­de­mie ent­de­cken Kin­der und Erwach­se­ne in zwei­wö­chi­gen Work­shops ihren Hang zur Kunst in ver­schie­de­nen Theater‑, Musik‑, und Gestal­tungs­work­shops und 2006 geht der lang ersehn­te Wunsch nach Umbau end­lich in Erfül­lung. Zwei Jah­re wird es nun dau­ern, bis der Ver­ein in sei­ne reno­vier­ten Räu­me zurück­keh­ren kann. So lan­ge bleibt er ein­fach drau­ßen und orga­ni­siert der­weil das ers­te gro­ße Elb­in­sel-Musik­fes­ti­val am Rei­her­stieg. Ein vol­ler Erfolg mit meh­re­ren Tau­send begeis­ter­ten Besucher*innen.

2008 ist der Umbau fer­tig und die Honig­fa­brik erstrahlt in ihrem bun­ten, glä­ser­nen Glanz, den wir von heu­te ken­nen. Dass im glei­chen Jahr die För­der­gel­der für die Kin­der-Kul­tur­ar­beit um fast die Hälf­te gekürzt wer­den, passt wirk­lich nicht zusam­men. Eine gan­ze Eta­ge für Kin­der-Kul­tur und weni­ger Geld, um die­se zu fül­len? Zum Glück schafft der Ver­ein es wei­ter­hin, Pro­jek­te wie die inter­na­tio­na­len Prä­senz­bi­blio­thek, die Kin­der­bü­cher auf vie­len ver­schie­de­nen Spra­chen anbie­tet, am Leben zu hal­ten oder Per­for­man­ces mit den Kin­dern zu erar­bei­ten, in denen sie ihre Visio­nen vom Stadt­teil prä­sen­tie­ren können. 

Ich hof­fe, dass dies auch noch vie­le wei­te­re Jah­re so blei­ben wird, denn die Geschich­te der Honig­fa­brik zeigt, von wie vie­len Fak­to­ren die Kul­tur­ar­beit in den Stadt­tei­len abhän­gig ist – und wie häu­fig sie auch bedroht ist. Und das, wo sie doch so wich­tig ist. Denn der Zugang zu Kul­tur, zu Musik, Tanz und Thea­ter, ist kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit und muss des­we­gen stets unter­stützt und geschützt werden. 

Alles Gute zum Geburts­tag, lie­be Honig­fa­brik. Wir freu­en uns auf vie­le wei­te­re Jahre. 

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