Frauenpower: Unterwegs mit Stadtteilpolizistin Andrea Oeser

Andrea Oeser ist Stadtteilpolizistin in Wilhelmsburg. Foto@Johanna
Andrea Oeser ist Stadtteilpolizistin in Wilhelmsburg. Foto@Johanna

Wil­helms­burg. Was sie spä­ter ein­mal wer­den will, war für die Poli­zis­tin Andrea Oeser früh klar: „Ich woll­te eigent­lich schon mein Leben lang zur Poli­zei“, schwärmt sie. In der 10. Klas­se soll­te die gebür­ti­ge Hil­des­hei­me­rin ein Prak­ti­kum absolvieren.

Auf Drän­gen ihrer Mut­ter, die von der Idee, dass ihre ein­zi­ge Toch­ter Poli­zis­tin wer­den woll­te, alles ande­re als ange­tan war, lan­de­te sie in der ört­li­chen Spar­kas­se. Nach dem Prak­ti­kum war für sie klar, was sie nicht will – einen Büro-Job. Statt­des­sen war sie nach wie vor fas­zi­niert vom Poli­zei­be­ruf, in dem man viel drau­ßen ist und nie weiß, was auf einen zukommt.

„mir wird als poli­zis­tin genau­so viel akzep­tanz ent­ge­gen gebracht, wie den männ­li­chen kollegen“

Andrea Oeser

Nach­dem sich Andrea Oeser in ganz Deutsch­land bewor­ben hat und bei­spiels­wei­se aus Hes­sen eine Absa­ge bekom­men hat, da sie einen Zen­ti­me­ter zu klein war, kam end­lich eine lang ersehn­te Zusa­ge aus Ham­burg. Im August 1984 star­te­te die jun­ge Frau dann ihre Aus­bil­dung an der Poli­zei­schu­le und zog nach Barm­bek. Ihre ers­te Dienst­stel­le war zu ihrem Ent­set­zen dann aber in Wil­helms­burg. Andrea Oeser erin­nert sich noch sehr genau an die ers­te Fra­ge der neu­en Kol­le­gen: „Was hast du denn ver­bro­chen? Frei­wil­lig kommt hier ja kei­ner her!“

Ihr Revier durch­streift die Beam­tin auch mit dem Fahr­rad. Foto@Johanna

Heu­te, rund 33 Jah­re spä­ter, arbei­tet Andrea Oeser immer noch hier im Poli­zei­kom­mis­sa­ri­at 44. „Und das spricht ja für sich“, sagt sie lachend. Nach und nach habe sie Wil­helms­burg ken­nen­ge­lernt. Sie mag das Mul­ti­kul­ti, die net­ten Kol­le­gen und das gute Mit­ein­an­der auf der Elb­in­sel, denn man kennt sich hier. „Der Umgang hier in Wil­helms­burg ist ein­fach anders. Weni­ger aufs Äuße­re bedacht, wenn die Müt­ze beim Aus­stei­gen aus dem Auto noch nicht rich­tig sitzt, ist das auch kein Bein­bruch“, schmun­zelt sie.

Heu­te arbei­tet Andrea Oeser als eine von zehn Stadt­teil­po­li­zis­ten oder bür­ger­na­hen Beam­ten in Wil­helms­burg. Im All­tag ist sie allei­ne mit dem Fahr­rad oder zu Fuß rund um ihr Gebiet im und ums Luna-Cen­ter unter­wegs. So ist die offe­ne Poli­zis­tin für alle ansprech­bar und kann sich Zeit für die Sor­gen und Ängs­te der Bür­ger neh­men. Die Men­schen freu­en sich, wenn sie ihre Stadt­teil­po­li­zis­tin sehen, denn die gute Poli­zei ist immer will­kom­men. – „Das ist etwas ganz ande­res als beim Streif­e­fah­ren, wenn man nur dazu­ge­ru­fen wird, wenn es brenz­lig wird“, erklärt Andrea Oeser.

„das wich­tigs­te ist, sich auf­ein­an­der ver­las­sen zu können“

Andrea Oeser

Die Auf­ga­ben als Stadt­teil­po­li­zis­tin, die in ihrer Frei­zeit ger­ne Aero­bic macht oder jog­gen geht, sind abwechs­lungs­reich. Der­zeit wer­den in Wil­helms­burg älte­re Men­schen öfter Opfer von Enkel­tricks und fal­schen Poli­zei­be­am­ten. Als Prä­ven­ti­ons­maß­nah­me infor­miert Andrea Oeser des­halb die Bevöl­ke­rung und gibt zum Bei­spiel Hin­wei­se, wie die ech­ten Poli­zis­ten erkannt wer­den kön­nen. Über das Pro­gramm „Cop4you“ arbei­tet Andrea Oeser auch mit Schu­len zusam­men und ist dort regel­mä­ßig prä­sent und ers­te Ansprech­part­ne­rin für poli­zei­li­che Zustän­dig­kei­ten. Beson­ders wich­tig ist ihr dabei, dass die Kin­der und Jugend­li­chen schon in jun­gen Jah­ren Ver­trau­en in die Poli­zei fas­sen kön­nen. Und es kommt auch mal vor, dass sich die zupa­cken­de Stadt­teil­po­li­zis­tin die Beglei­tung eines Obdach­lo­sen vor­nimmt und ihn bei der Beschaf­fung neu­er Aus­weis­pa­pie­re, dem Fin­den einer Unter­kunft und der Job­su­che unter­stützt. Und in der aktu­el­len Coro­na-Pan­de­mie kommt mit der Kon­trol­le ent­spre­chen­der Auf­la­gen noch ein gro­ßer Bat­zen Auf­ga­ben dazu.
Eine Frau bei der Poli­zei fällt heu­te kaum noch auf. Im Poli­zei­kom­mis­sa­ri­at in Wil­helms­burg arbei­ten mitt­ler­wei­le mehr als 40 % Frau­en. Als Andrea Oeser ihre Poli­zei­kar­rie­re gestar­tet hat, sah das aber noch ganz anders aus. Damals habe man von den männ­li­chen Kol­le­gen immer wie­der gehört, dass eine Frau doch an den Herd gehö­re und nicht zur Poli­zei. Doch mitt­ler­wei­le haben sich auch die männ­li­chen Kol­le­gen dar­an gewöhnt, dass Frau­en aus der Poli­zei nicht mehr weg­zu­den­ken sind.

Auf ihrem Fahr­rad ist Andrea Oeser im Stadt­teil unter­wegs
und jeder­zeit ansprech­bar. Foto@Johanna

Gera­de wenn man gemein­sam im Strei­fen­wa­gen fährt, muss man sich blind auf­ein­an­der ver­las­sen kön­nen. Ein ech­tes No-Go sind da Geschich­ten von Poli­zis­tin­nen, die sich bei Fest­nah­men im Strei­fen­wa­gen ver­ste­cken und die Knöp­fe run­ter­drü­cken. Denn das wirft ein schlech­tes Licht auf alle Frau­en bei der Poli­zei.
Für Andrea Oeser war klar, dass sie es anders machen will. Ver­gnügt erzählt die zier­li­che Poli­zis­tin mir von einem Ein­satz, der ihr in ganz beson­de­rer Erin­ne­rung geblie­ben ist: „Ein Ein­bre­cher war am Werk, wir hat­ten ihn auf fri­scher Tat ertappt und das Gebäu­de umstellt. Plötz­lich sprang der Täter raus, genau aus dem Fens­ter, vor dem ich stand. Ich dach­te nur, egal was pas­siert, klam­mer dich fest! Auch wenn ich ihn nicht zu Boden brin­gen kann, wenn ich den jetzt los­las­se, dann gibt es Läs­te­rei­en. Der Kerl ist fast Hucke-Pack mit mir weg­ge­lau­fen, aber die Kol­le­gen kamen mir recht­zei­tig zur Hil­fe und wir hat­ten ihn!“

Andrea Oeser scheint als Poli­zis­tin ihren Traum­job gefun­den zu haben. Für die Zukunft in der Poli­zei wünscht sie sich vor allem Respekt und Aner­ken­nung, aber auch Rücken­de­ckung für das, was sie und ihre Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen täg­lich leisten.

Johanna@WIP